Die Sterne, zum Trio geschrumpft, predigen mit ihrem ersten Album seit vier Jahren Disco als Antidepressivum. Nach acht Alben und den jüngsten Solotätigkeiten besticht „24/7“ durch eine sehr elektronische Produktion. Ihre Housemusik mit deutschen Texten wirkt so geschmeidig und zwingend, dass man über die ungewöhnliche Kombination gar nicht nachdenkt, sondern einfach tanzt (Materie Rec). Auch Kieran Hebden alias Four Tet verabreicht mit seinem fünften Soloalbum Balsam für die Seele. Die komplexen Rhythmusstrukturen, die er auf „There is love in You“ entwirft, strahlen immer Ruhe und Erhabenheit aus. Engelsgleiche Vocalsamples tun ihr Übriges, um eine geradezu sakrale Stimmung zu entfalten (Domino). Hinter dem Namen Fursaxa steckt Tara Burke, die seit gut zehn Jahren und ebenso vielen Alben eine ganz eigene, mysthisch anmutende Folklore kreiert. Ihr Orgelspiel, ihr Gesang und die vielen ungewöhnlichen Soundquellen wirken archaisch und klingen wunderschön melancholisch. Ein Vergleich mit Nico hilft nur annähernd (ATP Rec). Gonjasufi hat mit „A sufi and a Killer“ eine ganz eigentümliche Welt erschaffen. Hinter alten Planken findet man hier Kisten mit sperrigen Hip Hop-Beats, verstaubten Soulgesängen, verzerrter Weltmusik, rauem Psychedelic Rock und wackeligen Poptunes. Über all dem hört man Gonjasufis kratzige Stimme, wie durch einen Kopfhörer eingesungen scheint (Warp). Das niederrheinische Duo Tarngo macht Instrumentalmusik mit Bass und Schlagzeug – sonst nichts! Auf ihrem zweiten Album „Horman“ findet man zwölf raue Energiebrocken. Knurrig-rumpelnder Spartanismus mit vielen Breaks. Auch Steve Albini hätte Spaß daran (Tumbleweed).
„The Pod“, das zweite Album von Ween, wurde soeben wiederveröffentlicht. Mit 4-Spur in der Wohnung aufgenommen, klingt das lowest-fidelty Werk von 1991 extrem nach seinem Titel. Surrealer Kifferhumor in Ton und Text (Schnitzel Rec.). Die Compilation „Bustin‘ Out“ versammelt Post-Punk der Jahre 1979 bis 1981, von Tubeway Army und Killing Joke über Josef K, Material und Chris and Cosey zu Tuxedomoon, Front 242 und Dead Can Dance. Das Konzept, den Weg von ‚New Wave zu New Beat‘ nachzuzeichnen, bekommt die CD zwar nicht immer in den Griff (Josef K führt zu New Beat?), aber die Auswahl macht trotzdem Spaß. Es sollen weitere CDs folgen (Brownswood).
Nachlassverwaltung: Das britische Duo Vex‘d gibt es nicht mehr, mit „Cloud Seed“ wird aber noch ein Album mit Restmaterial nachgelegt. Das meiste wurde 2006/2007 für das nie veröffentlichte zweite Album der Dubstepper produziert, dazu gibt es einige Remixe. Tiefe Bässe regieren hier, ab und an von Vocals – gesungen, getoasted oder gerapt – aufgelockert (Planet Mu).
Das norwegische Jazz-Rock Trio Elephant9 lehnt sich mit „Walk the Nile“ an Vorbilder aus den späten 60er und frühen 70er Jahren wie Soft Machine oder Tony Williams an. Neben energischem Powerplay gibt es auch düstere slow-motion Soundscapes mit entfesselter Hammondorgel (Rune Grammofon). Als Mutter der zahlreichen Afro-Beat-Compilations der letzten Jahre gilt „Afro Rock Volume One“ von 2001. Ursprünglich bei Kona Records erschienen gibt es bei der Wiederveröffentlichung von Strut Records neben den elf Stücken mit psychedelischem Afro-Funk auch einen Bonustrack. „Rising Sun“ vom Souljazz Orchestra ist eine aktuelle Produktion, die aber auch nicht wesentlich anders klingt. Funkig und soulig ist ihr Ethno-Jazz mit erhabenen Melodien. Am Schluss ihres zweiten Albums covern die Kanadier sogar Jazzlegende Pharoah Sanders (Strut).
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nicht alle sind supersympathisch
(Kinder-)Geburtstags- und Weihnachtsfeiern on Stage – Unterhaltungsmusik 12/24
Befreiung durch Verwandlung
Laura Totenhagen im Stadtgarten – Musik 11/24
Zurück zur Straßenmusik
Dan & Dota in der Kantine – Musik 11/24
Noise, Rap und Migration
Zwischen Bühne und Buchdeckel – Unterhaltungsmusik 11/24
Endlich Wochenende
13. Week-End Fest im Stadtgarten – Musik 10/24
Psychedelische Universen
Mother‘s Cake im Helios 37 – Musik 10/24
Aggressive Dringlichkeit
Internationale Acts von Rock über Hip Hop bis Avantgarde – Unterhaltungsmusik 10/24
Eine Party für die Traurigen
Romie in der Maulvoll Weinbar – Musik 09/24
Heftiger Herbstauftakt
Nach Open Air wieder volles Programm in Clubs und Hallen – Unterhaltungsmusik 09/24
Kein Bock auf Sitzkonzert
Mdou Moctar im Gebäude 9 – Musik 08/24
Sommerloch? Nicht ganz ...
Volle Packung Drum‘n‘Bass, Indie, Tuareg-Blues und Black Metal – Unterhaltungsmusik 08/24
Fette Beats im Wohngebiet
Green Juice Festival 2024 in Bonn – Musik 07/24
Vielfalt, Frieden und Respekt
3. Ausgabe von Shalom-Musik.Koeln – Musik 07/24
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Köln und Bochum – Musik 07/24
Helldunkler Sommer
Fröhlich und finster lockt die Festivalzeit – Unterhaltungsmusik 07/24
Und der Tag wird gut
Suzan Köcher‘s Suprafon beim Bonner Museumsmeilenfest – Musik 06/24
Wie im Moment entstanden
Waxahatchee im Gebäude 9 – Musik 06/24
Folklore-Crossover
Wundersame Mischungen im Konzert – Unterhaltungsmusik 06/24
Sehnsucht nach Nähe
Nichtseattle im Bumann & Sohn – Musik 05/24
Gesang mit Starqualität
Aka Kelzz im Yuca auf der Kölner c/o Pop – Musik 05/24
An der Front: Sängerinnen
Post Punk neu arrangiert und interpretiert – Unterhaltungsmusik 05/24
„Der Jazz wird politischer und diverser“
Jurymitglied Sophie Emilie Beha über den Deutschen Jazzpreis 2024 – Interview 04/24
Überbordende Energie
Dead Poet Society live im Luxor – Musik 04/24
In alter Blüte
Internationales Line-up beim Kunst!Rasen Bonn 2024 – Festival 04/24
Kleinteilige Tonalität
Das Festival „Acht Brücken“ erforscht die Zwischentöne – Festival 04/24