Im Jahre 2 nach dem Ende von Sonic Youth veröffentlicht Lee Ranaldo bereits sein zweiten Soloalbum. Auf „Last Day on Earth“ spielt er mit seiner Band popigen Rock mit Referenzen an die 70er Jahre, neben melodiösen Gesangsparts finden sich auch lange Instrumentalpassagen. Ein unaufgeregtes, aber sehr schönes Album, relativ frei von der historischen Last des Sonic Youth-Sounds (Matador). Ein Virtuose des Chamber-Pop ist Liam Singer. Die 60er Jahre-Verweise sind schon dem Genre inhärent, trotzdem klingt Singers Musik nicht historisch, sondern setzt mit dem Wechsel zwischen barocken, minimalistischen und neutönerischen Passagen eigene Akzente. Sein viertes Album „Arc Iris“ ist sowohl Schönklang als auch komplexe Herausforderung an den Hörer (Hidden Shaol). Mazzy Star haben mit „Seasons of your Day“ ihr erstes Album seit 17 Jahren veröffentlicht. Hope Sandoval und David Roback haben in den 90er Jahren auf drei Alben psychedelisch gedehnte Americana mit viel Slidegitarre herausgebracht. Daran hat sich auf dem vierten Album, das so abgeklärt cool wie eh und je klingt, nichts geändert (Fontana). Auf dem dritten Album „In Utero“ von Nirvana gab es ein paar Hits im Stile des Vorgängers, da waren aber auch deutliche Statements, die ihr gespaltenes Verhältnis zum kommerziellen Erfolg demonstrierten. Das ist jetzt 20 Jahre her, und aus diesem Anlass erscheint das Album als deluxe Doppel-CD mit B-Seiten, Compilation-Beiträgen und Demos.
„Repent Replenish Repeat“, das dritte Album von DLS vs. SP alias Dan Le Sac & Scroobius Pip, ist mitunter atmosphärisch zurückhaltend, manchmal fast Spoken Word, dann knallen wieder die elektroiden Beats von DLS harsch mit den langen Wortketten von SP aneinander. Bester Leftfield-Hip Hop (Sunday Best). 13 Alben hat Daniel Lopatin in den letzten sieben Jahren unter dem Namen Oneohtrix Point Never gemacht, Kollaborationen nicht dazugezählt. Filmmusik („The Bling Ring“) macht er ebenso wie Klanginstallationen in Museen. „R plus Seven“ klingt trotz des immensen Outputs zugleich wie ein jugendliches Füllhorn und versierte Kunstmusik: Hier werden collagenartig ‘80s-Synthies und Gesangsfetzen arrangiert. Trotz oder wegen des brüchigen Charakters ist das Album wunderschön (Warp). „Metal Dance 2“ knüpft mit Industrial, New Wave und EBM aus den Jahren '79 bis '88 an den von Trevor Jackson kompilierten Vorgänger an. Musik von Tuxedomoon, Psyche, Skinny Puppy, Material, Chris & Cosey, Front 242, Test Dept oder Ministry rekapituliert den Übergang von der offenen Post Punk-Explosion zu den später eingefahrenen Elementen stumpfer Beats mit Böser Junge-Gesang. Dazwischen findet man immer wieder spannende Entdeckungen (Strut).
Das Trio Pupkulies + Rebecca hat sich für das neue Album mit dem kapverdischen Musiker Tibau Tavares zusammengetan. „Tibau“ vereint kapverdische Melodien mit Elektronik und dezenter Clubatmosphäre, ohne dass die Musik nach einem plumpen Weltmusik-Clubmix klingt (Normoton). Omar Souleymans Album „Weni Weni“ ist abgesehen von der auf Sublime Frequencies erschienenen Compilation die erste CD, die im Westen veröffentlicht wird. In seiner Heimat hat der Musiker für Hochzeitsfeiern schon Hunderte von CD-Rs aufgenommen, aber sein kantiger und leicht trashig tönender Techno-Pop wirkt auch ohne den kulturellen Background aufpeitschend. Die Produktion von Kieran Hebden alias Four Tet tut dem keinen Abbruch: uneingeschränkt toll (Ribbon Music).
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