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Dr. Ulrich Wackerhagen und Heinz Simon Keller
Fotos: Meyer Originals

„Die Chance etwas völlig Neues zu machen“

26. Juni 2019

Das Theater der Keller zieht aus und orientiert sich neu – Premiere 07/19

Nach 44 Jahren verlässt das Theater der Keller sein Domizil an der Kleingedankstraße. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Besitzer, nach Kündigungen und Verlängerungen ist nun endgültig Schluss. Das Theater wird in ein Wohnhaus umgebaut. Man muss das so pathetisch formulieren: Für das Theater geht damit ein Ära zu Ende – vielleicht beginnt damit aber auch eine neue. Ulrich Wackerhagen, der Vorsitzende des Trägervereins, und Intendant Heinz Simon Keller geben Auskunft, wie es weitergeht.

choices: Herr Wackerhagen, was bedeutet es für Sie, nach 44 Jahren das Haus in der Kleingedankstraße verlassen zu müssen?
Ulrich Wackerhagen: Einerseits denke ich emotional und nostalgisch, andererseits denke ich positiv an die Zukunft. Hier in der Kleingedankstraße steckt unheimlich viel Geschichte drin. Das Theater der Keller ist das älteste Privattheater in Köln. All die alten Unterlagen, Programme oder Aufführungsfotos sind inzwischen sogar Bestandteile der Theaterwissenschaftlichen Sammlung in Wahn. Wir haben nun die Chance etwas völlig Neues zu machen. Das werden wir zunächst im Interim in Deutz und dann in unserem neuen Theater am Kartäuserwall realisieren.

Sie haben mehrere Jahre nach einer neuen Spielstätte gesucht. Was hat die Suche so schwierig gemacht?
UW: Es hatte nichts mit dem Druck des Wohnungsmarktes zu tun, Gewerbeimmobilien gibt es eigentlich immer. Nur wollten wir eben nicht an den Stadtrand ziehen. Ich habe insgesamt drei Jahre lang gesucht. Viele Immobilien waren nicht geeignet, andere ließen sich nicht realisieren, wieder andere waren zu teuer.

Herr Keller, das Theater zieht interimistisch in die Tanzfaktur in Deutz. Dort bespielen Sie eine Halle, die wesentlich größer ist als ihre alte Bühne. Was bedeutet das?
Heinz Simon Keller: Darin liegt die Herausforderung. Wir starten mit einem Irmgard-Keun-Projekt, das stark mit dem Raum arbeitet. Wir haben aber auch die Möglichkeit, die Zuschauer, wie in einer Arena, an alle Seiten der Spielfläche zu setzen. Das wollen wir endlich mal wagen nach der Enge hier im Haus.

Welche Umbauten sind notwendig, um die Tanzfaktur für das Theater der Keller bespielbar zu machen, und wer übernimmt die Kosten? 
UW: Es müssen Veränderungen bei der Bühnentechnik, der Haustechnik und bei der Reduzierung des Nachhalls vorgenommen werden. Das ist Sache von Slava Gepner und der Tanzfaktur, die das auch in Zukunft nutzen werden. Wir könnten das gar nicht finanzieren. Die Planung der Architekten für den Umbau ist bereits eingereicht, wir wollen die Stadt dazu bewegen, möglichst schnell zu entscheiden.

Besteht die Gefahr, dass das Theater durch den doppelten Umzug Publikum verliert?
UW: Das glaube ich nicht. Da gibt es auch Neugierde, was wir da drüben in Deutz eigentlich machen. Wir bekommen eine Menge Aufmerksamkeit in den Medien. Außerdem glaube ich, dass die Kölner sehr beweglich sind. Und das Schauspiel Köln hat mit seinem Interim in Mülheim bereits gute „Vorarbeit“ geleistet und das Rechtsrheinische für das Theater etabliert.
HSK: Ich glaube, wir werden schon im älteren Segment Publikum verlieren, aber wir gewinnen auch neues dazu. Für das junge Publikum, das jetzt in „Clockwork Orange“, in „Tschick“ oder in „Das Fest“ geht, ist das sicher kein Problem. Die werden alle drüben sein.

Wir lange wollen Sie im Interim bleiben?
UW: Ein Jahr. Unser Ziel ist es, im September/Oktober 2020 in das neue Haus am Kartäuserwall zu ziehen. Der Umbau wird von einem großen Architekturbüro geplant, das über beste Kontakte zu entsprechenden Handwerkerfirmen verfügt. Insofern bin ich optimistisch, dass wir den Zeitrahmen einhalten können.

Wie lange läuft Ihr Intendantenvertrag eigentlich noch, Herr Keller?
HSK: Noch zwei Jahre. Dann muss man weitersehen.

In welchem Zustand ist das neue Haus im Kartäuserwall?
UW: Da ist nichts vorhanden. Wir mieten eine leere Hülle in zwei Etagen: ein ebenerdiges Foyer mit 130 m² und eine Bühne, zu der man im hinteren Teil hinuntersteigen muss. Wir spielen in Zukunft wieder in einem historischen Gewölbekeller, der von der ehemaligen Bachem-Brauerei zum Kühlen des Bieres in den 1890er Jahren gebaut worden ist. Das ist ideal.
HSK: Die Bühne ist mit 80-90 m² drei Mal so groß wie in der Kleingedankstraße. Bisher spielen wir auf 30 m².
UW: Durch die Höhe des Raumes können wir die Zuschauertribüne für ca. 150 Besucher etwas steiler machen. Dadurch wird der Blick auf die Bühne noch besser. Für das neue Theater werden wir einen Mietvertrag über 40 Jahre abschließen. Da man aber nicht weiß, ob in 40 Jahren überhaupt noch Theater gespielt wird, wird die Stadt auch ein Belegungsrecht haben, falls wir vorzeitig aufhören sollten.

Was kostet der Umbau und wer finanziert das?
UW: Wir brauchen die Unterstützung von Stadt, Landschaftsverband Rheinland und dem Land. Die ersten beiden haben bereits zugesagt, müssen das aber noch in den jeweiligen Gremien und Ausschüssen beschließen. Zusätzlich bringen wir noch Eigenmittel in Form eines Kredites ein. Insgesamt kalkulieren wir mit 1 Million Euro Umbaukosten, die von uns getragen werden. Daher haben wir die Räume sehr günstig anmieten können, wesentlich günstiger als in der Kleingedankstraße.

Gehören zu den Räumen auch Büros?
UW: Wir wünschen uns, dass die Büros direkt daneben untergebracht werden können. Da gibt es jedoch einige Probleme mit der jetzigen Hausgemeinschaft, das sind die früheren Hausbesetzer, die die Gewerbemietfläche 25 Jahre zu einem sehr geringen Mietpreis angemietet haben. Den Mietern der Werkstätten ist von der LEG, der das Haus gehört, gekündigt worden.

Die Miete soll sich jetzt nahezu vervierfachen, das kann sich nicht jeder leisten. Lag auf den Werkstätten bisher eine Sozialbindung?
UW: Nein.

Die LEG spricht auf Nachfrage von einer „Mietpreisbindung“ aufgrund einer Landesförderung, die am 1. August 2019 ausgelaufen sei.
UW: Wir vertreiben niemanden. Das ist die Entscheidung des Eigentümers und die müssen wir akzeptieren. Wir sind nicht der Vermieter. Wenn wir auf die Büroräume verzichten würden, wäre den jetzigen Mietern trotzdem gekündigt worden. Wir wollen niemanden verdrängen. 
HSK: Ich habe schon früh das Gespräch gesucht und sehe auch mögliche Synergieeffekte mit den Werkstätten der GWK (Gemeinnützige Werkstätten Köln). Aber auch mit den Bewohnern ist eine Befruchtung möglich. Das muss man wachsen lassen.

Kannibalisieren sich da Kulturräume und Sozialräume nicht gegenseitig?
UW: Das stimmt so nicht. Ich sehe da keine Kulturräume, sondern eher Werkstätten. Herr Keller hat ja angeboten, dass wir kooperieren. Wenn wir Räume haben, die wir nicht ständig brauchen, kann man sicherlich bei der Nutzung zusammenarbeiten. Außerdem haben wir den Menschen im Kartäuserwall auch unsere Unterstützung bei der Suche nach neuen Räumen angeboten. Wir wissen von einer Vielzahl von Leerständen.

Zum letzten Mal: Auerhaus 3.7. | Tropfen auf heiße Steine 10.7. | Kirschgarten 13.7. | Theater der Keller | 0221 31 80 59

Interview: Hans-Christoph Zimmermann

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