Wenn wir diesen Planeten irgendwann verlassen müssen, weil wir ihn endgültig versaut haben, dann bitte mit der Musik von The War on Drugs im Raumschiff-Radio. Sie erinnert uns an die guten, vorbewussten Zeiten – als Plastik nur praktisch, glatt und schön und Öl und Benzin noch gutes Zeug waren, um Motoren zu befeuern, die uns in Richtung Zukunft katapultieren. Die Zeit, als Rockmusik erwachsen wurde.
Mit dem ersten Ton des Konzerts der amerikanischen Band The War On Drugs hebt der Besucher ab, reist schwerelos durch mindestens vier Jahrzehnte Rockgeschichte. Das Kölner E-Werk ist seit langem ausverkauft, in Internetforen suchten Fans bis zum letzten Tag verzweifelt nach Karten. Vielleicht ist der Ort, der rund 2000 Menschen fasst, also sogar schon zu klein für eine Band, die seit ihrer Gründung vor zwölf Jahren immer erfolgreicher wurde. Vom Status eines Geheimtipps in Musikerkreisen hat sie sich eine gewisse Massentauglichkeit erspielt.
Massentauglich, weil der Kopf der Band aus Philadelphia, Sänger und Lead-Gitarrist Adam Granduciel, deutlich erkennbare Elemente der erfolgreichsten Rockstars von den 1960er- bis 1990er-Jahre in seine sorgsam zusammengesetzten und geschichteten Kompositionen einfließen lässt. Die Synthesizer von Bruce Springsteen, als er Stadien zu füllen begann, den edlen Gitarrensound der Dire Straits, den manchmal kratzigen, aber eigentlich besenreinen Bandsound von Tom Petty's Heartbreakers, psychedelische Flächen von Pink Floyd, die Stimme von Bob Dylan – um nur einige Einflüsse zu nennen.
Mit dem amerikanischen Songwriter Mark Kozelek hatten The War on Drugs einst Beef, weil ihre Musik von der Nachbarbühne in den Festivalauftritt seines Projekts Sun Kil Moon wehte. Er schrieb daraufhin den Song „War on Drugs: Suck My Cock“, nannte sie „die weißeste Band, die ich je gehört habe“, sagte: „Ich hasse diese Bier-Werbungs-Lead-Gitarren-Sch...“ An Kozeleks Worten ist definitiv etwas dran, trotzdem stehen im Kölner E-Werk nicht vor allem bierbäuchige, saturierte Classic-Rock-Fans und jubeln, sondern auch viel junges Indie-Rock-Publikum.
Denn Adam Granduciel und seine perfekt eingespielte, fünfköpfige Band formt die Essenz der weißen Rockmusik zu etwas aufregend neuem, letztlich doch wenig stadiontauglichem. Die Songs sind meist episch lang, flächig, atmosphärisch. Nicht griffig und auf den Ohrwurm-Refrain oder die nach wenigen Sekunden erkennbare Hookline aus.
Für eine Autofahrt durch vielleicht den amerikanischen Westen oder eben eingangs erwähnten Raumschiffflug ist allerdings kein besserer Soundtrack denkbar als ein Stück wie das elfminütige „Thinking of a Place“ vom neuen Album „A Deeper Understanding“. Es bildet den Höhepunkt des Konzerts. Seine wunderbaren E-Gitarrensoli, die getragen werden von einem Uhrwerk-Schlagzeug, einem quirligen Wurlitzer-Piano und einem gelenkigen Bass, reihen sich mühelos ein zwischen Großtaten wie Pink Floyds „Comfortably Numb“ oder Wilcos „Impossible Germany“. Das Publikum will danach nicht mehr landen oder ankommen, immer weiter fliegen.
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