Stephan Lacant, Jahrgang '72, studierte zunächst in Bochum und Köln, dann in New York Regie. Nach diversen Kurz- und Dokumentarfilmen ist „Freier Fall“ sein erster Kinofilm.
choices: Herr Lacant, Ihr Coming Out-Film ist bis in die Dialoge sehr nachvollziehbar. Wie haben Sie und Ihr Co-Autor Karsten Dahlem sich dem Thema genähert?
Stephan Lacant: Dem Thema haben wir uns zunächst über umfangreiche Recherche genähert. Es gab viele Gespräche, beispielsweise mit Familienvätern, die sich in einen Mann verliebten, bis hin zu geouteten und nicht geouteten Polizeibeamten. Natürlich folgen wir beim Schreiben dramaturgischen Strukturen, aber uns war es von Anfang an wichtig, echte, lebensnahe Charaktere zu entwickeln und die Geschichte aus unseren Figuren heraus zu erzählen und sie nicht in ein Plotkorsett zu zwängen.
Es gibt einen großen Kontrast zwischen der unkonventionellen Liebe der beiden Hauptfiguren und ihrer kleinbürgerlichen Umgebung. Trotzdem halten Sie die dramatischen Elemente eher klein ...
Generell war es mir wichtig, nicht überzudramatisieren und mich eher an einem Realismus zu orientieren, so wie ich ihn kenne: in dem nicht immer alles ausdiskutiert wird, sondern nicht selten auch einfach nur Sprachlosigkeit herrscht. Und oft wird mir in Filmen zu viel ausgesprochen, was eh schon immanent klar ist.
Hatten die beiden Hauptdarsteller Koffler und Riemelt Schwierigkeiten oder gar Vorbehalte, sich der Körperlichkeit ihrer Figuren zu nähern?
Liebesszenen sind sicherlich immer schwierig, aber Hanno und Max sind zwei absolute Vollblutschauspieler, die sich mit Haut und Haaren in ihre Rollen begeben. Insofern hatten sie auch keine Vorbehalte, was die Körperlichkeit angeht. Dass die beiden schon mehrere Filme zusammen gedreht haben und auch privat befreundet sind, hat sicherlich zusätzlich geholfen. Was die Vorbereitung angeht, haben wir zu viert – Hanno Koffler, Max Riemelt, Katharina Schüttler und ich – viele Vorgespräche geführt und das Buch Szene für Szene, Dialogsatz für Dialogsatz durchgesprochen und analysiert. Danach wurde auch noch mal einiges umgeschrieben. Mir war wichtig, dass sich die drei sich mit ihren Figuren wohlfühlen und nichts machen, wovon sie glauben, dass ihre Figur das so nicht machen oder sagen würde.
Koffler und Riemelt sind eine ungewöhnliche Besetzung für ein Schwulendrama. Steckte dahinter auch der Gedanke, ein breiteres Publikum zu erreichen?
Ungewöhnlich, weil beide im wirklichen Leben hetero sind? Es war ganz einfach so, dass uns die beiden beim Casting umgehauen haben. Es gab eine magische Energie zwischen ihnen, die einen sofort in den Bann gezogen hat. Natürlich ist der Film generell auch so angelegt, im besten Falle ein breites Publikum zu erreichen – insbesondere, da wir bei unseren Recherchen immer wieder feststellen mussten, dass die vermeintliche Liberalität unserer modernen Gesellschaft beim Thema Homosexualität doch immer wieder an ihre Grenzen stößt – und das nicht nur in maskulin dominierten Bastionen wie Fußball, Bundeswehr, Polizei usw. ... Selbst diverse Schauspieler, denen das Drehbuch sehr gut gefallen hat, haben letztlich den Castingtermin abgesagt, weil sie Angst vor einer Stigmatisierung hatten, wenn sie eine schwule Rolle annehmen.
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