Viel beachtet wurde Stefan Sarazins erster Kinofilm „Nitschewo“. Nun hat er gemeinsam mit seinem Co-Regisseur Peter Keller (geboren 1966) die Multi-Kulti-Komödie „Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie“ gedreht, die am 4. August in den Kinos startet. Im Gespräch erzählt er von der Zusammenarbeit mit seinem Kollegen, den Schwierigkeiten der Produktion wie von der Suche nach der richtigen Kulisse und dem Cast.
choices: Herr Sarazin, Filme, die von zwei Regisseuren inszeniert sind, haben oft ganz unterschiedliche Aufgabenverteilungen. Wie war das hier bei Ihnen und Ihrem Co-Regisseur Peter Keller?
Stefan Sarazin: Man kann eigentlich nicht zu zweit Regie führen, außer vielleicht, man ist ein Brüder-Paar wie die Coens oder die Tavianis. Wir haben das so gelöst, dass ich die Schauspielregie gemacht habe und Peter sich um die ganzen anderen Gewerke gekümmert hat, Szenenbild, Koordination usw. Aber es war uns wichtig, dass wir uns bei allem besprochen haben. Trotz des Zeitdrucks haben wir keine Szene gedreht und kein Bild gesetzt, ohne uns vorher darüber besprochen zu haben. Insofern haben wir hier schon zusammen inszeniert, auch wenn ich derjenige war, der am Set die Kommandos gegeben hat. Wenn eine Szene nicht gut war, brauchte ich aber nicht auf den Monitor zu schauen, weil mir Peter gleich sagte, dass das eine oder andere gerade nicht richtig funktioniert hat. Wir haben uns wirklich gut ergänzt.
Die Landschaft spielt im Film eine wichtige Rolle. Mussten Sie lange suchen, um diese tollen Kulissen zu finden?
Jein, ich kannte Wadi Rum schon von früher, nicht nur aus „Lawrence von Arabien“, sondern weil ich früher schon einmal dort gewesen war. Wir wollten ursprünglich in der Wüste Sinai drehen, in der wir auch das Buch geschrieben hatten. Aber das funktionierte nicht aufgrund der ägyptischen Zensur, denn jegliche Produktionen, die mit Juden oder Israel zu tun haben, haben es dort nicht leicht oder werden regelrecht verhindert. Deswegen mussten wir Sinai canceln. Eine Landschaft, die ähnlich aussieht, befindet sich gegenüber auf der anderen Seite des Roten Meeres in Jordanien, das Wadi Rum. Da der Dreh dort teurer war, wurde das ohnehin bescheidene Budget weiter belastet, aber es hat sich wirklich gelohnt, weil die Wüste im Film quasi als ein dritter Charakter funktioniert. Denn die Wüste war als Gotteserfahrung oder als existenzielle Erfahrung, wenn man dort auf sich selbst zurückgeworfen ist und auf ganz andere Gedanken kommt, für den Film sehr wichtig.
Darüber hinaus lebt der Film vom Zusammenspiel der beiden Protagonisten Luzer Twersky und Hitham Omari. War der Castingprozess der beiden sehr aufwändig?
Ein paar Monate vor Drehbeginn sprang uns ein Schauspieler ab, der lieber eine Rolle in „Homeland“ annahm, als bei uns mitzuspielen. Das hat uns in große Schwierigkeiten gebracht. Hitham fanden wir dann nur sechs Wochen vor Drehstart, nachdem wir durch halb Israel gefahren waren auf der Suche nach dem richtigen Darsteller. Luzer haben wir in New York entdeckt, nachdem die ganzen Castingvorschläge nicht so richtig funktioniert hatten. Ein weiterer glücklicher Zufall, bei dem alles passte. Luzer selbst ist ein Aussteiger der rigiden Gemeinschaft der chassidischen Juden in New York, weswegen er uns in den Detailfragen beratend zur Seite stehen konnte. Dass die beiden sich dann verstanden haben, war ein riesiger Glücksgriff. Das Casting ist bei der Regie meiner Meinung nach ohnehin das Wichtigste, wenn ich die Schauspieler richtig caste, ist der Rest fast ein Selbstläufer.
Wie wichtig waren Ihnen im Film die komischen Elemente, die sich auf eine sehr leichte Weise durch die ganze Handlung ziehen?
Die waren sehr wichtig, weil wir von Anfang an einen Film machen wollten, der sehr viele Menschen anspricht. Denn das Thema selbst ist sehr schwierig, weswegen wir es mit Leichtigkeit unterfüttern wollten, damit man es, wie eine Medizin, besser runterschlucken kann. Es macht auch mehr Spaß, denn ernste Filme gibt es genug, zumal sie leichter zu realisieren sind. Komödien sind immer schwerer herzustellen, aber dafür auch lohnender. Da wir nicht von dort sind und uns auch nicht mit Produktionen aus dem Nahen Osten, insbesondere Israel, messen wollten, die in die Thematik direkt involviert sind, war klar, dass wir etwas Anderes machen wollten. Mein Film davor war ein Drama, und nun wollte ich einen Film drehen, der die Menschen erwärmt, deswegen waren uns die komischen Elemente sehr wichtig.
Vor über 10 Jahren schon erhielten Sie einen Preis für das unverfilmte Drehbuch zum Film. Was hat die Produktion nun so langwierig und schwierig gemacht?
Zunächst wollten wir den Film alleine produzieren und alles in Personalunion machen. Das hat aber nicht funktioniert. Mit den zusätzlichen Koproduzenten kam es dann zu zusätzlichen Problemen, die uns Zeit gekostet haben. Wir waren aber stur, und haben das Projekt über eine sechsjährige Durststrecke trotzdem am Laufen gehalten. Trotzt des gewonnenen Preises war es eben leider unglaublich schwer, das Budget zusammenzubekommen. Uns wurde gesagt, wenn das unverfilmte Drehbuch in den USA einen Oscar gewonnen hätte, wäre der Film im nächsten Jahr in die Produktion gegangen. Das ist hier leider nicht so, denn in Deutschland zählen Drehbücher und Autoren nicht sonderlich viel.
Wie sind Sie auf die fast märchenhafte Grundidee des Films gekommen? Hat der Besitztumsverfall bei weniger als zehn Juden in der Diaspora einen authentischen Hintergrund?
2006 war ich in der jüdischen Gemeinde in Alexandria, die damals noch aus drei oder vier Mitgliedern bestand. Wenn die jüdische Gemeinde dort komplett verschwunden ist, dann fällt alles an den ägyptischen Staat. So ein altes Gebäude, das mitten in der Stadt liegt, ist natürlich mittlerweile dann sehr wertvoll geworden. Aber alles, inklusive der Torarollen und der religiösen Gegenstände, würde dann aufgrund eines Vertrages ebenfalls an den ägyptischen Staat fallen. Insofern beruht die Grundidee auf einer Tatsache. Die Idee mit dem zehnten Mann, die übrigens nicht von uns, sondern von einer guten Freundin, Freyja Weinert, stammte, war zwar ein dramaturgischer Kunstgriff, aber die Geschichte selbst ist real, da die jüdische Gemeinde in Alexandria im Auflösen begriffen ist.
Genau wie Ihr Filmdebüt „Passacör“ ist auch „Nicht ganz koscher“ ein Road Movie. Was fasziniert Sie an diesem besonderen Genre?
Ich persönlich mag Road Movies, ich drehe und bin generell nicht gerne in geschlossenen Räumen, deswegen habe ich immer Sachen geschrieben, die draußen spielen, wie auch mein vorangegangener Film „Nitschewo“. Auch darin wird viel gefahren. Ich mag es, wenn Personen in Bewegung sind, die Geschichte in Bewegung ist, die Landschaften sich verändern und man den Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes auf eine Reise mitnimmt. Das ist in diesem Fall eine Reise durch drei verschiedene Länder und durch verschiedene Kulturen. Ich mag auch sehr gerne amerikanische Filme aus den 1960er und 70er Jahren, in denen viel gefahren wird.
In 25 Jahren haben Sie nur eine Handvoll Filme inszeniert. Sind viele Ihrer Stoffe nicht über die Entwicklungsphase hinausgekommen oder haben Sie sich in der Zeit auch mit ganz anderen Dingen beschäftigt?
Das kann man sagen, die waren allerdings eher privater Art. Aber ich habe ja auch für meinen Film davor fast zehn Jahre gebraucht. Ich weiß nicht, woran es liegt, vielleicht ist auch mein Talent nicht groß genug, um öfter Filme machen zu können. Ich habe andererseits auch einen gewissen Anspruch. Ich bin kein Fernsehmensch und finde vieles von dem, was hierzulande produziert wird, so grauenhaft, dass ich nie in die Verlegenheit kommen möchte, so etwas machen zu müssen. Das wollte ich auch nie. Ich brauche lange, um die Sachen zu entwickeln, bei „Nicht ganz koscher“ hat es ungefähr fünf Jahre gedauert, bis wir an dem Punkt angekommen waren, aus der Geschichte ein Drehbuch zu machen. Ich wünschte, es wäre anders, es gab auch andere Stoffe, die ich realisieren wollte, aber ich habe mich an diesem Projekt festgebissen. Das hat sich am Ende gelohnt, auch wenn es einem privat fast den Kopf gekostet hat, denn von irgendetwas muss man in den fast zwanzig Jahren ja leben. Ich hoffe nun, dass es nach dem Film leichter wird.
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