Vielleicht ist es selbst seiner bekanntermaßen loyal ergebenen Fangemeinde in letzter Zeit etwas inflationär zumute geworden: Mastermind Steven Wilson gab sich - nach der Tour mit seiner Zweitband „Blackfield“ im vergangenen Jahr und der Vorstellung seines Solo-Albums „Grace for Drowning“ im Mai - erneut die Ehre, diesmal an der Seite seines kompositorisch gleichberechtigten Mitstreiters Tim Bowness als „No-Man“. Anders lässt sich das geringe Aufkommen von nur knapp zweihundert zahlenden Gästen kaum erklären. Vermutlich wird in den Kreisen der Steven Wilson-Verehrer schon auf die ersehnte „Porcupine Tree“-Tour gespart, dem mit Abstand populärsten Projekt des schüchternen Workaholics Wilson.
Andererseits führte „No-Man“ stets ein Schattendasein: Aus der fünfundzwanzig Jahre währenden Allianz Bowness / Wilson sind gerade einmal sechs Studioalben hervorgegangen; von Kritikern gewürdigt, von Connaisseuren gefeiert und vom Rest der Welt weitgehend ignoriert.
So sporadisch die Veröffentlichungen, so heterogen die musikalischen Stilmittel, derer sich die sieben Akteure des Line-ups bedienen. Vor allem setzt die Gitarrenarbeit jene Akzente, die jeden Song aus dem kompositorischen Korsett des per Schublade unterstellten „Art-/Prog-“Rocks drängen. Wenn Wilson das Bottleneck zum Sliden ansetzt, werden Assoziationen zu Americana (Calexico, Lambchop) geweckt, wenn sein Pendant Michael Bearpark seinen Effektgeräten einheizt, schimmern deutlich vernehmbare Shoegaze und Wave-Stimmungen durchs stets transparent gehaltene Soundbild. Und wenn der (auch als klassischer Dirigent) etablierte Violinist Steve Bingham von der Leine gelassen wird, entstehen neo-folkloristische Momente, abseits von hohlem Pathos oder klebrigem Kitsch.
Diesem facettenreichen Klangspektrum steht, vermutlich programmatisch, Tim Bowness' kalktrockenes Timbre entgegen. Während seine Stimmbänder eine Weile brauchen, um auf Betriebstemperatur zu kommen, bleibt seine Performance durchgängig gleich: zurückgenommen, latent indifferent und wenig variabel. Erst gegen Set-Ende gönnt er seiner Stimme (und den Zuhörern) anderthalb bluesige Ausbrüche, von denen sich mehr hätten ereignen müssen, um der sich im Laufe des Konzerts breitmachenden Sterilität Paroli zu bieten. Tim Bowness, auf dem die meiste Verantwortung der Interpretation lastet, erweist sich als ein Crooner wider Willen, seine sanft-seichte Melancholie lullt das gegebene emotionale Potential des Songmaterials ein, bis zur gepflegten Langeweile, - da kann der bekennende „Soft Cakes“-Esser Wilson noch so Otto Waalkes-alike über die Bühne hopsen, der Funke bleibt immanent und verstiebt nahezu effektfrei.
Das Verhaltene, mit gutem Willen auch Kontemplative, will oder darf ja naturgemäß nicht mit Effekten blenden, doch dann stellt das Repertoire des Abends so einige Fallen: Ein zuvor unveröffentlichter Song klingt leider unverkennbar nach dem Muff Simple Mind´scher Prägung, das Konzert endet mit ironiefreien Anleihen bei schlimmsten Schnulzen („Things change“).
Unterm Strich bescheren „No-Man“ mit ihrem „Gloria“-Gig in erster Linie sanfte Entspannung, wie ihr nur ein lauer Spätsommerabend gerecht werden kann: Die Hoffnung auf einen „Goldenen Oktober“ sediert das Bedauern über verregnete Tage (und verflossene Lieben, dem textlichen „No-Man“-Dauerthema).
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