Die Piraterie zählte zu den letzten männlichen Refugien, in denen Jungs noch Mutproben unter den Augen finsterer Gesellen bestehen durften und das Abenteuer in exotischen Welten lockte. Aber damit ist es nun vorbei, die Mädels haben auch diese Domäne für sich entdeckt. Unter der Regie von Frank Hörner, der im letzten Jahr für seine Inszenierung von „Emil und die Detektive“ den Kölner Theaterpreis gewann, präsentieren nun vier Frauenzimmer in der Comedia „Die Schatzinsel“ von Robert Louis Stevenson.
Eine gute Idee, wie man zugeben muss, denn mit der weiblichen Besetzung wird die romantisch verklärte Jungsgeschichte ironisch ausgehebelt. Das Piratengenre selbst wird zum Thema.
Die Comedia legt sich wieder einmal mächtig ins Zeug und bietet mit der Bühne von Birgit Kofmel ein herrliches Ambiente aus Segelschiff, Galgen, Palmenwald und einer Sinfonie aus Fässern, mit der sich schlichtweg alles darstellen lässt. Das Theater als Raum unserer Fantasie, in dem sich Gedanken und Träume einmal so richtig austoben können, wird dem jungen Publikum ab acht Jahren auf eine Weise offeriert, die manchen Besucher für dieses Medium gewinnen wird. So richtig gruselig geht es zwar nicht zu, wenn Frauen Piraten darstellen, und der Part des Jim Hawkins nicht von einem milchgesichtigen Knaben, sondern von Franziska Schmitz, einer jungen Frau, gespielt wird, die ihren fulminanten Aktionen durchaus auch eine sexy Note verleihen darf. Behaupten muss sich Jim gegen den einbeinigen John Silver, den Bettina Muckenhaupt als kraftvollen Basston der Inszenierung präsentiert. Eva Horstmann bringt mit ihren spitzbübischen Wortspielen als Ben Gunn die komische Note ein und Rebecca Madita Hundt spielt mit breiter Brust Meuterer und Millionäre. Ihre Präsenz alleine bringt Dynamik in die Geschichte.
So kreuzt die Hispaniola unter vollen Segeln über die Meere und wir bekommen höchst originell den Wellengang als fröhliche Tortur vorgeführt. Die Musik von Sebastian Meier entwickelt sich derweil zum fünften Protagonisten, der dem Mädels-Quartett einen Musical-Rahmen verleiht. Ja, es ist viel Witz und Spektakel in dieser Produktion, die mit ihrer historisch angehauchten Grundierung Lust auf eine Lektüre der „Schatzinsel“ und auf die Lebensumstände ihres Autors Robert Louis Stevenson macht.
Die Schatzinsel. Regie: Frank Hörner. Aufführungsdauer 80 Minuten | Weitere Termine Januar 2014 | Comedia Theater | Tel. 0221 888 777 333
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