Die Frage, warum wir eigentlich Weihnachten feiern, hat Robert Gernhardt bereits vor Jahren beantwortet – im Verlauf einer Diskussion, in der die Parallelen zum Tag der deutschen Einheit herausgeschält und die religiösen Hintergründe ausgelotet wurden. Wir wollen uns hier mit der Frage beschäftigen, weshalb die Kleinkunstbühnen in der Adventszeit landauf, landab mit Weihnachts-Specials wie „Bitte nehmen Sie Ihre Plätzchen ein“ (im Atelier Theater am 4., 13. Und 18.) oder „Gottes Werk und Martins Beitrag“ (im Atelier Theater am 5., 6., 15. und 22.) das Publikum beglücken. Was bringt gestandene Männer wie Andreas Etienne und Michael Müller dazu, sich mit roten Bommelmützen zum Affen – pardon – zum Weihnachtsmann zu machen?
„Wer schenkt denn so was?!“ heißt das Programm der beiden Bonner Kabarettisten, mit dem sie am 2., vom 6. bis 12., am 15., 21. und 22. im Bonner Haus der Springmaus und am 3. und 4. im Senftöpfchen-Theater für Gelächter statt Geschenke-Stress sorgen. An gleicher Stelle will Ferdinand Linzenich (am 2. und 9.) einen „Azvenzkranzfirlefanz 2012“ winden, „herrlich sentimentale, nachdenkliche und dann wieder bissig boshafte Geschichten“. Wie das gehen soll? Keine Ahnung, aber eines steht fest: Der Laden wird brummen, weil der arbeitende Mensch in der Vorweihnachtszeit vom Arbeitgeber zum mehr oder minder besinnlichen Beisammensein verdonnert wird.
Wirklich anrührend, witzig und voller überraschender Gags ist das „Christmas Dinner for two“ mit dem Nickelodeon am 1. im Haus der Springmaus und am 8., 12. und 13. im Senftöpfchen-Theater. Die Story von William & Wilma alias Mark Britton und Krissie Illing besitzt alles, was eine Slapstick-Komödie auszeichnet: Tiefgang, Tempo und Tragik. Wobei die beiden es fertig bringen, das Liebesleben eines Pärchens von der ersten Begegnung bis ins hohe Alter nachzuzeichnen. Im Zickzackkurs, wie es sich für ein Comedy-Duo gehört, stolpert es durch jede Menge peinlicher Situationen: ein Meilenstein wahrer Komik!
Auch bei Nessi Tausendschön geht es kein bisschen besinnlich zu: „Frustschutz“, so der Titel ihres Weihnachts-Programms, das sie am 5. im Senftöpfchen und am 15. in der Comedia präsentiert, ist alles andere als feierlich. Da kommt zum Beispiel Gabi Pawelka zu Wort, eine hörbar aus dem Osten Deutschlands kommende Frau, die von den positiven Auswirkungen eines Motivations-Seminars auf ihr Selbstbewusstsein zu berichten weiß und im Publikum nach einem Lebensgefährten sucht, dessen Mutter möglichst das Zeitliche gesegnet hat. Herrlich schräg und schön süffisant auch die Reportage von den Europameisterschaften im Kunstvögeln, die sie im Stil einer Hörfunk-Live-Übertragung durchzieht. 124 Teilnehmer aus elf Nationen haben sich da in einem Stadion eingefunden, um zu zeigen, welche Hürden beim Art-Fucking zu überwinden sind.
Ähnlich unkorrekt und bodenständig ist die grandiose Tina Teubner, die in „Stille Nacht bis es kracht“ vom 20. bis 22. in der Comedia zeigt, was „Unfug zur Weihnachtszeit“ bedeutet – nämlich eine unorthodoxe Mischung aus Liedern, die Ben Süverkrüp am Flügel begleitet, inklusive bitterböser bis saukomischer Texte, die die Musikkabarettistin mit satanischem Lächeln unters Volk streut: ein Engel mit Haaren auf den Zähnen statt Flügel auf dem Rücken. Muss man gesehen und gehört haben, schwört hoch und heilig die Ihnen stets ergebene.
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