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Wie viel zählt der letzte Wille?
Foto: Oliver Kirpal

Selbstbestimmung bis zum Schluss

22. Januar 2020

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben

„Mein Ende gehört mir“ – ein Satz, der 2014 bundesweit für Aufsehen sorgte. Mit geschlossenen Augen und in schwarz-weiß präsentierten sich Journalisten, Politiker, Mediziner und Künstler, um für das „Recht auf letzte Hilfe“ zu werben. Fünf Jahre später ist das Thema noch immer aktuell. Anstatt dem Willen der Bevölkerung Rechnung zu tragen – in den Umfragen der letzten zehn Jahre sprachen sich regelmäßig 70 bis 80 Prozent der Deutschen für Sterbehilfe aus – wurden die Gesetze weiter verschärft. Vor allem durch den § 217 StGB, der nicht nur den Sterbehilfe-Verein Sterbehilfe Deutschland e.V., sondern theoretisch auch die ärztliche Suizidassistenz unter Strafe stellte.

Hoffnung keimte auf, als 2017 das Bundesverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf das in § 2 des Grundgesetzes verankerte allgemeine Persönlichkeitsrecht entschied, dass schwerkranken Menschen „in extremen Ausnahmefällen“ der Zugang zu einem Medikament zur Selbsttötung – dem Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital – „nicht verwehrt werden“ dürfe.Dochdas Bundesgesundheitsministerium um Jens Spahn sah das anders: „Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Selbsttötungshandlungen aktiv zu unterstützen“. Begründet wird dies mit der „Pflicht des Staates zum Lebensschutz“. Und so wurden von deninsgesamt 131 Anträgen, die seit 2017 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eingegangen sind, bereits 99 abgelehnt.Harald Mayer wollte dies so nicht hinnehmen. Der seit 22 Jahren an Multipler Sklerose leidende Mann klagte. Ihm schlossen sich sechs weitere Schwerstkranke an, die jedoch nicht mehr an dem Prozess vor dem Kölner Verwaltungsgericht teilnehmen konnten. Vertreten wurde Mayer von Robert Roßbruch, dem Vizepräsidenten der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). Er sagt: „Für mich ist das Selbstbestimmungsrecht unseres Grundgesetzes das entscheidende Maß aller Dinge. Wir haben ein Recht zu entscheiden, wie wir leben wollen, wir haben auch ein Recht zu entscheiden, wie wir sterben wollen.“

Seit ihrer Gründung 1980 setzt sich die DGHS für „selbstbestimmtes Sterben“ ein und brachte 2009 das Patientenverfügungsgesetz auf den Weg. Der Verein kämpft für Gesetzesänderungen im Sinne einer Humanisierung des Sterbens. Christine Hucke ist ehrenamtliche Ansprechpartnerin für Köln und war beim Prozess mit dabei. Berührt hat sie, dass hier „die Zahlen mit Leben gefüllt“ wurden: „Ursprünglich hatte Professor Roßbruch sieben Klienten. Vier sind schon gestorben und das bedeutet, sie mussten unter für sie unwürdigen Bedingungen sterben.“ Davor soll die Patientenverfügung schützen, die mithilfe eines Notfall-Ausweises online einsehbar ist, falls der Patient sie nicht bei sich trägt. Obwohl Krankenhäuser seit 2009 verpflichtet sind, dem dokumentierten Patientenwillen nachzukommen, wird Christine Hucke oft Zeugin von Fällen, in denen sich Kliniken darüber hinwegsetzen: „Aber hier bietet die DGHS dann auch Rechtsschutz.“ Wer keine Vertrauensperson hat, wird über die Bevollmächtigten-Börse mit einem Freiwilligen zusammengebracht. Darüber hinaus berät die Ehrenamtlerin Patienten zum Sterbefasten, einer Methode, bei der Betroffene bewusst auf Essen und Trinken verzichten, um den Tod herbeizuführen. „Momentan ist das die einzige legale Methode“, erklärt sie. Dass das Kölner Gericht die Klage nun an das Bundesverfassungsgericht weitergeleitet hat, freut sie: „Ich wünsche mir einfach, dass Volkesmeinung anerkannt wird. Jetzt wird hoffentlich Karlsruhe entscheiden, dass der § 217 gesetzlich geändert oder zurückgenommen werden muss.“

Hinweis: Wenn Sie depressiv sind oder Selbstmord-Gedanken haben, wenden Sie sich bitte umgehend an die Telefonseelsorge: im Internet unter www.telefonseelsorge.de oder unter der kostenlosen Hotline 0800-111 01 11 oder 0800-111 02 22. Hier helfen Ihnen Berater, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.


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Julia Grahn

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