Eigentlich ist es fast ein wenig müßig, dem Stadtgarten einen Text zum 25. Geburtstag zu widmen. Denn der Weg von Kölnern und Nicht-Kölnern, die sich zumindest ein wenig für Musik interessiert, wird früher oder später immer mal in den Stadtgarten geführt haben. Und ihr Gewebe aus persönlichen Erinnerungen ist vielleicht das schönste Geburtstagsgeschenk, das man als Spielort haben kann. Ältere Semester können sich vermutlich an die Frühzeit erinnern, kurz nachdem die Initiative „Initiative Kölner Jazz Haus e.V.“ 1986 auf ihrer Suche nach einem Konzertraum endlich in dem ehemaligen Ausflugslokal an der Venloer Straße fündig wurde. Jazzfans berichten von den Konzerten der Heroen, vom Afro-Futuristen Sun Ra oder dem Klaviervirtuosen Antony Braxton, die den Konzertsaal des Stadtgartens zur international beachteten Spielstätte für Jazz gemacht haben.
Für Menschen meines Alters befindet sich das wahre Schmuckstück jedoch unterhalb des Konzertsaals. Geht man eine kleine Treppe herab, steht man im Studio 672. Seit den 1950ern fanden in dem kleinen Kellerlokal, das früher „Schmuck-Kästchen“ hieß, Cool Jazz-Konzerte statt. Spätestens in den 1990ern war es als Raum der „Total Confusion“-Partys, die als Homebase für den weltweiten Siegeszug des hiesigen Minimal-Imperiums Kompakt diente, unter Clubbern berühmt. Wann immer man jemanden auf diese Partys anspricht, ist von viel Schweiß und der dionysischen Albernheit die Rede, die der britische Musikkritiker Simon Reynolds als die besondere Qualität von Dance Music preist. Aber auch die Fans experimenteller Musik fanden im Stadtgarten ein zu Hause. Nicht nur bei den FreeJazz-Konzerten, die seit Beginn Teil des Programms waren, sondern auch bei Reihen wie „90 Messer“, die sich experimenteller Elektronik und Bassmusik widmet. Und auch hier sind die bleibenden Eindrücke die schönsten. Von einem Konzert des New Yorker FreeNoise-Trios Borbetomagus 1999 wird heute noch berichtet, dass die Saxofonisten so laut waren, dass im Restaurant über dem Studio die Teller auf den Tischen klapperten.
Meine persönliche Erinnerung dreht sich übrigens um einen Besuch im Herbst 2007. Auf dem Programm stand ein Konzert der New Yorker Band The Dirty Projectors, die Hardcore-Klassiker in einer Mischung aus Hi-Life, R&B und Post-Punk coverte, im Rahmen der wunderbaren Reihe „Reconstructing Song“ traten sie zusammen mit einer malinesischen Band auf. Was sich auf dem Programmzettel wie ein Kontrast las, fügte sich beim Zuhören perfekt zusammen. Nur eine Kleinigkeit passte nicht. Als der Gong im Foyer zum Konzertbeginn rief, stand ich immer noch an der Theke. Was ich dort getan habe? – Auf mein Kölsch gewartet. Seitdem habe ich einige Konzertanfänge im Stadtgarten vom gar nicht mal so exklusiven Thekenplatz aus erleben müssen. Nur die Dirty Projectors haben dort leider nie wieder gespielt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nicht alle sind supersympathisch
(Kinder-)Geburtstags- und Weihnachtsfeiern on Stage – Unterhaltungsmusik 12/24
Zurück zur Straßenmusik
Dan & Dota in der Kantine – Musik 11/24
Befreiung durch Verwandlung
Laura Totenhagen im Stadtgarten – Musik 11/24
Noise, Rap und Migration
Zwischen Bühne und Buchdeckel – Unterhaltungsmusik 11/24
Psychedelische Universen
Mother‘s Cake im Helios 37 – Musik 10/24
Endlich Wochenende
13. Week-End Fest im Stadtgarten – Musik 10/24
Aggressive Dringlichkeit
Internationale Acts von Rock über Hip Hop bis Avantgarde – Unterhaltungsmusik 10/24
Eine Party für die Traurigen
Romie in der Maulvoll Weinbar – Musik 09/24
Heftiger Herbstauftakt
Nach Open Air wieder volles Programm in Clubs und Hallen – Unterhaltungsmusik 09/24
Kein Bock auf Sitzkonzert
Mdou Moctar im Gebäude 9 – Musik 08/24
Sommerloch? Nicht ganz ...
Volle Packung Drum‘n‘Bass, Indie, Tuareg-Blues und Black Metal – Unterhaltungsmusik 08/24
Die Ruhe im Chaos
Emma Ruth Rundle in Köln und Bochum – Musik 07/24
Vielfalt, Frieden und Respekt
3. Ausgabe von Shalom-Musik.Koeln – Musik 07/24
Fette Beats im Wohngebiet
Green Juice Festival 2024 in Bonn – Musik 07/24
Helldunkler Sommer
Fröhlich und finster lockt die Festivalzeit – Unterhaltungsmusik 07/24
Wie im Moment entstanden
Waxahatchee im Gebäude 9 – Musik 06/24
Und der Tag wird gut
Suzan Köcher‘s Suprafon beim Bonner Museumsmeilenfest – Musik 06/24
Folklore-Crossover
Wundersame Mischungen im Konzert – Unterhaltungsmusik 06/24
Sehnsucht nach Nähe
Nichtseattle im Bumann & Sohn – Musik 05/24
Gesang mit Starqualität
Aka Kelzz im Yuca auf der Kölner c/o Pop – Musik 05/24
An der Front: Sängerinnen
Post Punk neu arrangiert und interpretiert – Unterhaltungsmusik 05/24
„Der Jazz wird politischer und diverser“
Jurymitglied Sophie Emilie Beha über den Deutschen Jazzpreis 2024 – Interview 04/24
Überbordende Energie
Dead Poet Society live im Luxor – Musik 04/24
Kleinteilige Tonalität
Das Festival „Acht Brücken“ erforscht die Zwischentöne – Festival 04/24
In alter Blüte
Internationales Line-up beim Kunst!Rasen Bonn 2024 – Festival 04/24