Ungefähr hundert Leute stehen in der Schlange vor der Tür des King Georg und warten auf Einlass. Doch es legt kein angesagter DJ auf, nein, an diesem Abend liest Laurie Penny aus ihrem neuen Buch „Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution.“ vor. Die 28-jährige Autorin gehört zu den bekanntesten Feministinnen der Generation Y – über 100.000 Follower auf Twitter sprechen für sich. Viele der angereisten Gäste müssen daher die Lesung und die anschließende Diskussionsrunde mit einem Bier und einer Zigarette auf dem Gehweg sitzend verbringen. Weil der Club ausverkauft ist, hat das Personal des „King Georg“ freundlicherweise Lautsprecher nach draußen gestellt. Die Autorin will gehört werden.
Und Laurie Penny weiß, wie man sich Gehör verschafft. Gemeinsam mit Moderatorin Rehzi Malzahn, die aus der deutschen Übersetzung des Buches vorliest, wird direkt zu Beginn der Lesung die Bedeutung des Wortes „Schlampe“ erörtert. Für Penny ist der Begriff Teil einer scheinheiligen Kultur, die Frauen zwar als Lustobjekte akzeptiere, im Umkehrschluss jedoch nicht die Lust der Frau. Wieso solle man Frauen den Spaß am Sex verbieten? Die Umdeutung solcher Worte diene nur einem Zweck, und zwar der Kontrolle des weiblichen Geschlechts. Die Aktivistin macht klar: Sie will das Wort wiederhaben. Und so fordert Penny, dass man sich nicht mehr an der Bezeichnung stören solle: „Nutzt die Schamlosigkeit als Waffe. Schämt euch nicht dafür eine Schlampe zu sein.“ Penny setzt bei ihren durchaus starken Ideen vor allem auf eins: Polemik. Ihre schlagfertige und witzige Art kommt beim Publikum jedoch gut an und sorgt direkt zu Beginn für einige Lacher.
Im weiteren Verlauf des Abends zerlegt die Autorin weitere gesellschaftliche Institutionen und legt den Grundstein ihres Standpunktes dar, der größtenteils auf Kapitalismuskritik beruht. Gesellschaftliche Einheiten wie die Ehe und die Familie seien das Fundament des Kapitalismus. Weiterhin bezeichnet Penny das soziale Konstrukt Gender als „Zwangsjacke“ einer patriarchalischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu Frauen werde jungen Männern schon früh Macht und Reichtum versprochen, die Wirtschaftskrise habe dieses Konstrukt jedoch in seinen Grundfesten erschüttert, was die jungen Herren wiederum zu „lost boys“, zu verlorenen Jungs mache. Wenn Penny über Männer als testosterongeladene, karrieregeile Macher redet, macht sie es sich jedoch etwas zu einfach und stereotypisiert. Ebenso, als sie darüber spricht, dass man in Großbritannien noch immer vom männlichen Geschlecht erwarte, dass es sich zu einer James Bond-Figur entwickle: ein erfolgreicher, übersexualisierter Held. Ist unsere Gesellschaft tatsächlich so abgestumpft, wie die Autorin glaubt?
Wie wichtig Pennys Aktivismus jedoch ist, zeigt sich in der abschließenden Diskussionsrunde. Ein junger Mann gibt zu, dass er sich an dem Begriff des Feminismus störe. Er würde sich schließlich selbst gerne mehr für die Frauenrechte engagieren, fühle sich aber schon von dem Begriff als Mann ausgeschlossen und benachteiligt. Die junge Autorin bemüht sich höflich zu bleiben und nutzt die Gelegenheit, um einmal mehr deutlich zu machen: Keinen Zentimeter wird sie von ihrer Haltung abweichen. So endet der Abend mit viel Applaus für Penny.
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