Warum eine Ausstellung zu August Sander? Wir kennen sie doch, die Bauernsöhne, Künstler, Handwerker und Industrielle, deren Porträts zu Ikonen der Kunst des 20. Jahrhunderts wurden. Ein Grund für die Präsentation der großen Bilderschau mit über 350 Originalen, die den Titel „Meisterwerke und Entdeckungen“ trägt, mag in der Tatsache liegen, dass die Photographische Sammlung der SK Stiftung Kultur unter Leitung von Gabriele Conrath-Scholl einen großen wissenschaftlichen Aufwand in die Erforschung des Sander-Nachlass in Köln steckt. Immerhin zählt die Stiftung neben dem Getty Museum in Kalifornien und dem New Yorker MOMA zu den bedeutendsten Sammlern des umfangreichen Werks, das zudem ein dramatisches Stück Kölner Stadtgeschichte dokumentiert.
Der 50. Todestag am 20. April bietet einen willkommenen Anlass, um die Perspektive auf Sanders Schaffen ein wenig zu korrigieren. Das geschieht, indem Werk und Person miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Familie darf erscheinen, August mit seinen sechs Geschwistern und den Eltern. Der Vater war als Steiger im Bergbau des Westerwalds tätig, die Mutter stammte aus einer Familie von Leinewebern. Das Familienfoto sieht denn auch schon fast wie das Gruppenbild einer Firmenbelegschaft aus. Diese Männer und Frauen waren keine Bauern aus dem Hinterland von Koblenz. Die Nachbarn Ärzte und Industrielle, drei Brüder, die in Amerika ansässig werden und den Kontakt zur Familie aufrechterhält. So stellt sich die Ausstellung denn auch als ein Persönlichkeitsprofil Sanders dar.
Der Genius war schon früh vorhanden, das beweisen die Porträts aus dem Familienkreis. Aber es gibt auch bemerkenswerte Auftragsarbeiten zu sehen, obwohl die Architektur- und Industriefotografie nicht zu Sanders Stärken zählte. Großartig hingegen die Landschaftsfotografien und die immer wieder überraschenden Porträts. Die Ausstellung bietet hier die Chance, Ikonen, wie etwa das denkwürdige Porträt von Anton Räderscheidt, in ihrem auratischen Original zu bewundern. Dieser August Sander mit seinem Schwarm hübscher Assistentinnen im Schlepptau war ein frei denkender Künstler, der einen weiten Bekanntenkreis pflegte und nicht erst in unserer Zeit zu einer großen amerikanischen Fangemeinde gelangte. Schon 1931 feierte Walker Evans den Fotografen aus Köln-Lindenthal, dessen Wohnzimmer in der Ausstellung mit den Originalmöbeln rekonstruiert wurde. Auch das Atelier auf der Dürener Straße wird dokumentiert.
Dass große Teile seines Werkes, die schadlos den Krieg überstanden hatten, dennoch vernichtet wurden, hängt mit einem üblen Gaunerstück zusammen. Denn als sich 1945 im Nebenhaus ein Bankraub ereignete, verursachte der Funkenregen eines Schneidbrenners, mit dem der Panzerschrank geknackt werden sollte, ein Feuer, das auf das Archiv des Fotografen übergriff und Tausende Bilder vernichtete. Zerstörung ist freilich auch ein Sujet, das August Sander in seinen Stadtansichten von Köln aufgreift. Die Porträts der Domstadt vor und nach dem Krieg gehören zu den schönsten Kapiteln dieser Ausstellung, die mit ihrem Material zu überraschen versteht. Weil so viel und so eng gehängt werden musste, tritt der künstlerische Aspekt zu Gunsten des dokumentarischen Blicks etwas in den Hintergrund. Aber das sei den Kuratorinnen Gabriele Conrath-Scholl und Rajka Knipper verziehen, denn diese Mischung bringt Vitalität in das Persönlichkeitsbild dieses großen Fotografen, über den man schon alles zu wissen vermeinte.
August Sander: Meisterwerke und Entdeckungen | bis 3.8. in der Photographischen Sammlung | Mediapark 7.
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