Nach 17 Jahren und neun Alben haben Tocotronic den Diskurspop der sogenannten Hamburger Schule tatsächlich für kurze Zeit an die Spitze der deutschen Albumcharts getragen. Mit einerseits sehr rauen Tönen, aber auch balladesken Songs. Ihr musikalisches Spektrum ist breiter geworden, Bonmots wie „Im Zweifel für den Zweifel“ sind immer noch vortrefflich. Das ist mal ein anderer Chorus in den großen Konzerthallen (E-Werk, 4.3., 20 Uhr). Die Stileinordnung auf My Space-Seiten wird in der Regel für einen gepflegten Witz benutzt. Bei Analogik kommt die Mischform Ska / Electronica / Hip Hop aber einigermaßen hin. Man kann noch Afro-Beat, Balkansound und Kinderlied hinzufügen. Eine ziemlich verrückte Mischung liefern die vier Dänen ab, ihr Bühnenoutfit steht dem in nichts nach (6.3., 22 Uhr / Stadtgarten).
Arena Berlin, Westfalenhalle Dortmund, Jahrhunderthalle Frankfurt – noch kann ich mir nicht ganz vorstellen, wie ein „Konzert“ von Technoproduzent Paul Kalkbrenner in solchen Monsterhallen aussehen soll. Der Star des romantischen Techno hat zuletzt mit dem Film „Berlin Calling“ für Furore gesorgt. Die 7.000 Karten für Berlin sind schon weg, für das Kölner Palladium gibt es noch Karten (6.3., 22.30 Uhr / Palladium). Otto von Schirach, in Florida ansässiger Produzent mit deutschen Wurzeln, lässt den Laptop krachen. Zwischen Miami Bass und Breakcore ist er stets für das Extreme zu haben und schreddert Sounds nach Herzenslust. Unterstützt wird er von seinem Buddy Notorious Nastie, ebenfalls aus Florida (8.3., 21 Uhr / Tsunami). Hot Chip sind absolute Kritikerlieblinge. Mit dem tanzbaren Indiesound ihrer letzten Alben konnten sie aber auch Indiekids und Clubgänger begeistern. Auf dem neuen Album „One Life Stand“ finden sich wieder einige Hits wie das housige „I feel better“, das bestens zwischen Pop und Club vermittelt. Dass das auch live hervorragend funktioniert, versteht sich von selbst (10.3., 20 Uhr / Live Music Hall).
Ein Wanderer zwischen zwei Welten ist auch Why?. Angefangen hat er mit Leftfield-Hip Hop auf dem wegweisenden Label Anticon. Da ist er immer noch beheimatet (für Europa auf dem Kölner Label Tomlab), musikalisch aber längst ganz anderswo: Schwelgerischer und vielteiliger Art-Pop mit starkem 70er Jahre-Feeling macht Yoni Wolf inzwischen, und hinter seinem alias Why? verbirgt sich nun eine Drei-Mann-Band (11.3., 20 Uhr / Gebäude 9). Les Claypool, einst Bassist und Sänger von Primus, hat sich mit seiner Virtuosität und dem an die Residents erinnernden Humor eine begeisterte Fangemeinde erspielt. Mit Primus war er sogar für den Titelsong von „South Park“ verantwortlich. Inzwischen ist er solo unterwegs, und seine Musik ist perkussiver und ganz frei von Gitarren (20.3., 19 Uhr / Bürgerhaus Stollwerck). Bob Log III ist eine One-Man-Band aus Arizona. Mit Gitarre sitzt er hinterm Schlagzeug, ein an einem Helm montierter Telefonhörer nimmt seine Stimme ab. So hat der Mann mit sprödem Blues noch jeden Schuppen zum Kochen gebracht. Als Höhepunkt bittet der hard working Man meist zwei Ladies aus dem Publikum, während seines Spiels auf seinen Knien Platz zu nehmen. Das sollte man nicht verpassen (24.3., 21 Uhr / Tsunami). Kaki King hat sich mit ihrem ungewöhnlichem Gitarrenspiel in den letzten Jahren einen Namen gemacht: Für ihren Indie-Rock und Folk-Pop kombiniert sie Fingerpicking mit rhythmischer Zweckentfremdung des Gitarrenkorpus. Das ist nicht nur toll anzusehen, es klingt auch gut (24.3., 20 Uhr / Kulturkirche).
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