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King Rocko Schamoni in Köln
Foto: Rebecca Ramlow

„Die Zeit der traurigen Feste“

28. Oktober 2019

Rocko Schamoni über „Musik für Jugendliche“ – Interview 10/19

Rocko Schamoni ist alles: König, Musiker, Schauspieler, Autor, Mitwirkender des Ensembles Studio Braun, Filmemacher, „Scheiße“-Produzent sowie ehemaliges, wenngleich auch gescheitertes „Die Partei“-Mitglied. In der Kölner Kulturkirche stellten er und seine Band Mirage – nach einer musikalischen Pause von zehn Jahren – am 24. Oktober sein jüngstes Album mit dem zarten Titel „Musik für Jugendliche“ vor. Doch – ungleich zu den sonst vor Ironie nur so strotzenden Werken – wirkt es düsterer, geht es doch um Abschiede und Trauer. Doch was wäre Schamoni ohne Ironie. Und so mangelte es auch diesmal nicht an Scherzen, Interaktion mit dem Publikum und Tanzbein-Schwing-Einlagen in der proppevollen Kirche. Wir haben mit dem König des Wortwitzes über den Ernst des Lebens, Flickenteppiche und gelöcherte Matrixen gesprochen.

choices: Wie fühlst du dich in einer Kirche?

Rocko Schamoni: Ich war hier schon einmal in der Kulturkirche. Das war ein sehr schöner, nahezu unvergesslicher Abend. Insofern bin ich da unbefangen und freu mich drauf.

Magst du Köln?

Ja. Vielleicht mit die beste Tourstadt Deutschlands, weil das Publikum am dankbarsten ist. Die Leute gehen am meisten mit. Mehr als in anderen Städten.

Wieso heißt dein neues Album „Musik für Jugendliche“? Ist das eine Erinnerung? Ist der Ausdruck „für Jugendliche“ ironisch?

Es ist in einer Phase entstanden, als mein Vater starb. Und dann habe ich an früher gedacht und an meinen Bruder und unsere Jugend. Das war quasi so eine Aufarbeitung. Und dann lag mir das nahe, es nicht als Abschiedsplatte zu titulieren, sondern, wenn man so will, einen ironischen Querstrich zu ziehen.

Ist das Album, speziell das Lied „Dein Gesicht“, eine Ode an Ihre verstorbenen Eltern?

Das kann man interpretieren, wie man will. Es gibt beim Menschen so ein Phänomen, dass, wenn immer man zwei Punkte sieht – an einer Wand, einer Wolke – man häufig Gesichter dort hineininterpretiert. Das ist ein anachronistischer Algorithmus, den wir am Laufen haben, um uns gegen Feinde zu wehren, die im Gebüsch auf uns lauern. Wir fantasieren Gesichter in Hintergründe. Und dieses Phänomen wollte ich gerne in diesem Song bearbeiten und natürlich das der Suche nach einer Liebe. Wer diese Liebe ist, das soll jeder selber für sich herausfinden. In meinem Fall will ich das auch nicht unbedingt verraten.

Dieses Album scheint im Unterschied zu den anderen nicht so ironisch, sondern eher düsterer zu sein. Ist die Ironie dem Ernst des Lebens gewichen?

Ich glaube, dass man als Künstler immer versucht, den jeweiligen Lebenszustand, in dem man ist, zu verarbeiten. Und das ändert sich dann mit den Stufen des Lebens. Und wenn dann die Zeit der traurigen Feste beginnt, wo immer mehr Totenfeiern langsam anfangen anzuschwellen, dann verändern sich die Inhalte im Leben und dementsprechend auch die Texte. Zumindest für mich wäre es falsch gewesen, so zu tun, als wäre es nicht so und eine Platte voller Lebensfreude zu texten, an einem Punkt, wo ich genau das Gegenteil erlebt habe gerade.


Foto: Rebecca Ramlow

Ist ein Abschied ein neuer Anfang? Heißt Leben sterben lernen?

Die Mär davon, dass ein Abschied ein neuer Anfang sein soll, halte ich für eine romantische Verklärung eines Leidenszustandes, in welchem man sich befindet, mit welchem man nicht anders umgehen kann. Natürlich ist ein Abschied auch immer ein neuer Anfang, weil man muss ja ohne jemanden leben lernen, aber ich finde daran nichts Schönes. Das hinterlässt immer nur unglaubliche Löcher, und ich kann da keinen Anfang drin sehen.

Aber setzt man sich im Rahmen dieses Abschiedes nicht auch ein wenig mit sich selber auseinander?

Ja, man wird noch trauriger (lacht). Das Phänomen ist ja so, dass die Leute, die sterben, Löcher in deinem Leben hinterlassen. Je älter du wirst, desto mehr Löcher gibt es. Und am Ende bestehst du quasi nur noch aus so einem Flickenteppich von lauter Löchern. Bist selber quasi eine durchlöcherte Matrix. Und wenn dann die Stricke ganz dünn werden und reißen, verpuffst du selber.

Ein Lied trägt den Titel „Der Weg hinab“. Deutschland befindet sich momentan zwischen Drittem Geschlecht und leider auch wieder rechtem Terror. Befindet sich die BRD auf dem Weg hinab?

Ja, haha. So könnte man es sagen. Ich finde es krass, was in Deutschland gerade abgeht – mit der AfD – vor allem im Osten. Ich finde es schrecklich und beobachte das voller Zweifel, wie das überhaupt sein kann. Das hat vielleicht auch was mit den Grundstrukturen zu tun, in denen die Leute da viel länger gelebt haben als die Menschen im Westen. Mit der DDR, die dort vielleicht ganz andere Angststrukturen erschaffen hat.

Hast du persönlich Angst vor dem Tod?

Die Angst vor dem Tod ist eine unbestimmte. Denn wir wissen definitiv nicht, wie es ist, was danach kommt, ob überhaupt etwas danach kommt. Ich glaube eher nicht daran. Aber der Leidensprozess, den ich bei vielen miterlebt habe, ist unglaublich quälend und in meinen Augen unwürdig. Ich habe viele Leute gehabt, die an Krebs verstorben sind in den letzten Jahren. Da ist nix Würdiges dran. Nix Schönes. Nix Heroisches. Ist alles immer nur hart und traurig.

Aber gehört der Tod nicht nun mal zum Leben dazu?

Leider ja. Aber wenn’s ’ne Abschalttaste für den Tod gäbe, würde ich sie drücken. (lacht)

CD Rocko Schamoni: Musik für Jugendliche | Tapete / Indigo

Rebecca Ramlow

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