Es gibt ein Foto in der Ausstellung von Candida Höfer im Düsseldorfer Museum Kunstpalast, das mir seit dem Besuch nicht aus dem Kopf geht. Es zeigt im Querformat einen Innenraum im Schmela Haus (Schmela Haus I, 2011). Eigentlich zwei Sichtmauerwände, die eine Ecke bilden, Steinzeugfußboden, Neonröhrenbeleuchtung. Eine typische Höfer-Arbeit, die nur das kalte Leuchtstofflicht zur voluminös gewordenen Belichtung nutzt, dabei den Blick unmittelbar nach links zieht. Da ist auch mein Problem: nämlich die schmale geflieste Sockelecke, die von dort unscheinbar ins Bild ragt, sich aufdrängt, sich in die Gedanken bohrt und eine einzige Frage stellt: Warum? Wieso wurde sie nicht weggeschnitten, beließ dann dem Raum seine architektonische Unschuld, der Ecke ihre Ausschließlichkeit und mir meinen Seelenfrieden?
Die „kleine“ Retrospektive über Candida Höfer zeigt unter dem Titel „Düsseldorf“ rund 70 Fotografien aus vier Jahrzehnten, einen kleinen 16 mm-Film und einen neuen Zugriff auf die Arbeiten der Künstlerin, die nach zwei Fotografenlehren an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Bernd und Hilla Becher studierte, und die erst spät mit den damaligen Klassenkollegen Andreas Gursky und Thomas Ruff in einem Atemzug genannt wurde. Erst die Teilnahme an der documenta 2002 hievte sie medial auf diese Höhe, die sie qualitativ natürlich längst erreicht hatte. Aber wie das nun einmal so ist, sie kümmerte sich eher um die Ordnung hinter den Dingen, um die Seele von Räumen, die scheinbar nur plakative monströse Dimensionen beherrschten, denen sie aber die stille, viel wichtigere Wertigkeit fototechnisch abrang. Besonders gut ist das in den Arbeiten zum Benrather Schloss Düsseldorf zu spüren, einem überladenen barocken Stuck-Gewitter, das einfach strahlt und dessen Stände-Requisiten so auch locker ignoriert werden können. Aber auch die großformatigen Standardwerke wie die Innenräume vom Schauspielhaus Düsseldorf oder von der Deutschen Oper am Rhein fehlen natürlich nicht. Die Besonderheit der Schau liegt aber eher in ihrer kuratorischen Zusammenstellung.
Alte Arbeiten stehen gegen aktuelle, bilden neue Zusammenhänge, zeigen Abhängigkeiten und auch Diskrepanzen im Gesamtwerk der Künstlerin, die heute zurückgezogen in Köln wohnt. „Zurück in die Zukunft“ nennt das die Kuratorin Gunda Luyken und weist insbesondere auf die neue Ordnung der Präsentation hin, die neben den Einzelwerken auch serielle Tableaus und Loops auf Bildschirmen zeigt. Das scheint auch der neue Eingriff der Künstlerin in ihr Werk zu sein, das neu strukturiert neue Aspekte liefern soll. So stehen neben aktuellen kühnen Verwirrspielen im schneckenförmigen Treppenhaus des Neuen Stahlhofs in Düsseldorf auch kleinere Arbeiten aus der frühen Serie „Türken in Deutschland“ (1975-78), als auf den Fotografien von Candida Höfer noch Menschen zu sehen waren. Einige der Orte in der Landeshauptstadt hat die Fotografin in der letzten Zeit neu besucht und speziell für die Tableaus mit und ohne Farbe abgelichtet. Bleibt aus der Zeit unbedingt noch der 16 mm-Film zu erwähnen, den sie gemeinsam mit dem Medienkünstler Tony Morgan im Düsseldorfer Eiscafé „Da Forno“ gedreht hat. Es war eine universitäre Vierminuten-Arbeit ohne Ton aus der Zeit, als sie noch die Filmklasse der Akademie besuchte, der aber schon viel von der Haltung der Künstlerin preisgibt, wenn man sich im Bewusstsein vergangener vier Jahrzehnte darauf einlässt.
„Düsseldorf“ – Candida Höfer I bis 9. Februar 2014 I Museum Kunstpalast, Düsseldorf I 0211 899 02 00
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