Wer gestern auf einen heftigen Schlagabtausch zwischen den Journalisten und den eventuell Verantwortlichen für das Kölner „Bühnen-Desaster“ (O-Ton Oberbürgermeisterin) gehofft hatte, verließ nach 2 Stunden enttäuscht und ernüchtert die sehr gut besuchte Pressekonferenz in der Außenspielstätte der Bühnen Köln. Denn unter dem Team vor Kopf war allenfalls die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach als eventuell verantwortlich auszumachen. Erneut wies sie aber die Verantwortung weit von sich, sie wäre nur für die Kultur, nicht aber für die Kulturbauten zuständig und müsse sich auf die Informationen der Bausachverständigen verlassen.
Auf der Pressekonferenz im Frühjahr 2015, als ein halbes Jahr vor der geplanten Wiedereröffnung der Termin auf unbestimmte Zeit verschoben worden war, prägte sie den Begriff vom „Oberverantwortungshut“, den genau sie eben nicht aufhätte und der ihr seither anhänge. Nachdrücklich wies sie auf eine kritische Frage zur ihrer Zuständigkeit auch für Kulturbauten darauf hin, dass sie sich nicht für den Posten beworben, sondern danach gefragt worden wäre. Und schwärmte von dem einmaligen Kulturensemble im Kraftfeld der Stadt mit vier Bühnen und großzügigen Plätzen, welches hier entstehen würde, aber halt erst mit 10-jähriger Verzögerung; die Eröffnung ist für 2023 geplant – bisher. Ob sie den Druck auf ihren Posten aushalten kann, ist fraglich; ihr Vertrag läuft noch bis 2021.
Zuvor hatte die Oberbürgermeisterin Henriette Reker zugestanden, mit sehr gemischten Gefühlen hergekommen zu sein; aber der „Point of no return“ sei längst überschritten und die Sanierung technisch möglich. Die Frau kann einem schon leid tun, hat sie doch am wenigsten Schuld an der Misere, sondern ist mit Dampf dabei, die Zuständigkeiten in der Stadtverwaltung neu zu ordnen. Und hat ihre Kulturdezernentin von der Betreuung der Grundsanierung des weltberühmten Römisch-Germanischen Museums inzwischen abgezogen; diese soll statt drei nunmehr sechs Jahren dauern, Direktor Markus Trier hat dies quasi aus der Zeitung erfahren. Der südlich an den Dom anschließende Roncalliplatz verlottert: um das Domhotel, dessen Umbau sich ewig hinzieht, sehen die Touristen nur einen Bauzaun, das Museum gegenüber ist zu, ebenso die Buchhandlung im daneben liegenden Kurienhaus, die mit leeren Schaufenstern gähnt, und welches abgerissen werden soll. Auf dem Wege vom Rathaus zur Baustelle für das von vielen Kölner Bürgern kritisch bewertete jüdische Museum kommt man an einem maroden, durch Abgase schwarz gefärbten Parkhaus vorbei, das auch irgendwann der Spitzhacke zum Opfer fallen soll. Nur wann? Alles nicht gerade prickelnd für die Kulturstadt Köln.
Reker hatte mit Bernd Streitberger einen altgedienten kommunalen Baufachmann ins festgefahrene Boot geholt, nachdem man sich von der Firma Deerns, die den wirklichen Oberverantwortungshut aufhatte, im Streit getrennt hat. Das Verfahren läuft jetzt vor dem Landgericht Köln, das dem Antrag von Deerns auf ein Beweissicherungsverfahren zugestimmt hatte. Dazu erklärte Streitberger, dass ein Stopp der Bauarbeiten nicht notwendig sei. Sein oberstes Ziel wäre es, den Kölnern ihr Opernhaus möglichst schnell zurückzugeben.
Er hatte ein Team von 50 Spezialisten zusammengestellt, die nach sechs Monaten eingehender Untersuchungen und Recherchen 36 Hauptprobleme (sogenannte „Big Points“) festgestellt haben, die den Hauptteil der Verzögerungen und der zusätzlich entstehenden Kosten ausmachen. Und den voraussichtlichen Aufwand neu berechnen sollten. Danach müssen ca. 570 Millionen Euro ausgegeben werden; eine überregionale Boulevardzeitung hatte inklusive der Finanzierung und Ausgaben für die Interim-Spielstätten gar 870 Millionen ausgerechnet. Auch mit den beteiligten Baufirmen muss neu verhandelt werden, so Streitberger: Hier sei der weitaus größte Teil inzwischen in trockenen Tüchern. Der größte Schwachpunkt ist die Haustechnik (Brandschutz, Elektrik, Lüftung), wo mit Abstand am meisten Mist gebaut wurde; ein großer Teil davon müsse wieder herausgerissen und ganz neu geplant werden. Aber immerhin wolle man die verbaute Technik so weit wie möglich weiter nutzen.
Streitberger sprach von der „schieren Wucht der Zahlen“, aber auch von einer „nach heutigem Stand realistischen Perspektive“. Er hoffe, dass die Stadt die auf 40 Millionen vereinbarte Versicherungssumme ausschöpfen und auch aus den Rechtsstreitigkeiten mit Deerns und beteiligten Firmen noch einiges an Entschädigung herausholen könne. Eine namhafte Kölner Rechtsanwaltskanzlei berät und vertritt die Stadt regelmäßig in diesem Zusammenhang.
Die Frage der Verantwortung kam erst relativ spät auf; Reker sprach von „einigen Teilschuldigen“, sie berichtete, dass das Rechnungsprüfungsamt der Stadt beauftragt sei festzustellen, wer für welchen Fehler verantwortlich sei. Eine Antwort wird im kommenden Herbst erwartet. Streitberger selbst räumte ein, dass er als damaliger Baudezernent zu Beginn der Planungen sein Amt personell deutlich stärker hätte aufstocken müssen. Die Verantwortlichkeiten des letzten Oberbürgermeisters Jürgen Roters und des vorherigen Kulturdezernenten Georg Quander und auch der vorherigen Intendantin des Schauspiels Karin Baier, die sich erfolgreich gegen einen bereits geplanten Neubau des Schauspiels ausgesprochen hatten, wurden auf der Pressekonferenz nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert.
Die gute Nachricht nach all dem riesigen Ärger und der großen Enttäuschung: Die Spielstätten im Staatenhaus und in Mülheim sind bis Ende 2022 angemietet. Nur – wie sieht es mit der Motivation der MitarbeiterInnen der Bühnen aus? Bleiben GMD Roth und Intendant Bachmann bis zum Umzug? Die Opernintendantin hatte ihr Bleiben bereits signalisiert. Aber wie sieht es mit qualifizierten Mitarbeitern in der nächsten Führungsetage aus, mit der Anzahl von Abonnenten, mit dem Verkauf von Eintrittskarten? Mit der Motivation von Sponsoren? Wenn man den Kölnern ihre Oper erhalten will, müssen alle mit anpacken – lamentieren nutzt gar nichts.
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