Die journalistischen Freiräume werden kleiner – weltweit. Der Druck auf Journalisten und Medien nimmt stetig zu. Das ist der Tenor der neuen „Rangliste der Pressefreiheit 2016“, der von der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) jährlich vorgestellt wird. Autokratische Tendenzen in Russland, Ägypten oder der Türkei tragen zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Journalisten ebenso bei wie bewaffnete Konflikte in Libyen, Syrien, Burundi oder im Jemen. Negativ wirken zudem die Bestrebungen von Regierungen wie in Polen oder Ungarn, Zugriff sowohl auf staatliche als auch private Medien zu erlangen.
„Viele Staatsführer reagieren geradezu paranoid auf legitime Kritik durch unabhängige Journalisten“, sagt der ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Zudem wurden in vielen Ländern Gesetze verabschiedet, mit denen Journalisten wegen vermeintlicher Präsidentenbeleidigung, Gotteslästerung oder Unterstützung terroristischer Gruppen ins Gefängnis gebracht werden können.
Im Kampf gegen den „Terror“ zeichnet sich derzeit besonders der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, aus – vor allem, wenn der Terror aus der Druckerpresse kommt. Einheimische Journalisten werden mit Anklagen überzogen, während „zu kritische“ Reporter aus dem Ausland entweder ausgewiesen oder gar nicht erst in die Türkei reingelassen werden (Platz 151, -2 zum Vorjahr). Doch der Furor Erdogans macht an der türkischen Landesgrenze nicht halt, wie die Satiresendung „Extra 3“ oder der Fall Jan Böhmermann zeigen. In den Niederlanden soll die türkische Botschaft Türken aufgefordert haben, „Beleidigungen“ gegen den türkischen Präsidenten anzuzeigen.
Ein Negativbeispiel innerhalb der EU ist Polen, das um 29 Plätze auf Rang 47 abrutscht. Mit dem neuen Mediengesetz, das Präsident Andrzej Duda im Januar unterzeichnete, entscheidet nun der Schatzminister über die Besetzung der Direktorenposten bei den öffentlich-rechtlichen Medien und bei der staatlichen Nachrichtenagentur. Das neue Gesetz erlaubt nach Angaben der Leiterin der Präsidentenkanzlei, Małgorzata Sadurska, „glaubwürdige, sachliche nationale Medien“. Man habe beobachtet, so Sedurska weiter, „dass sehr häufig die eigene subjektive Meinung des Journalisten die objektive Information ersetzt, die den Hörer oder Zuschauer erreichen sollte“. Wohlgemerkt „sollte“, was so viel bedeutet, als dass die Sender zukünftig zum Regierungssprecher degradiert werden. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hatte nach der Unterzeichnung des Gesetzes gefordert, die polnische Regierung unter Aufsicht zu stellen und ein Rechtsstaatverfahren gegen Polen einzuleiten.
Dennoch ist Oettingers Wahrnehmung sehr selektiv. Denn als 2012 in Spanien ein ähnlich weitreichendes Mediengesetz verabschiedet wurde, gab es von Seiten der EU keine Reaktion. In Spanien, Rang 34 (-1) in der ROG Liste, bestimmt die Regierungspartei Intendanten, Chefredakteure und Ressortleiter des staatlichen Rundfunks. Welche Konsequenzen die politische Gängelung zeitigt, zeigte die Berichterstattung über einen Finanzskandal im Sommer 2015 bei der regierenden Volkspartei. Die Geschichte war eine 20-Sekundenmeldung wert – am Ende einer 15-minütigen Sendung.
Zwar steht die Bundesrepublik mit einem soliden 16. Platz recht gut da, dennoch ist Deutschland ein klarer Verlierer. Vier Plätze ging es abwärts. Neben Beleidigungen und Beschimpfungen werden die Übergriffe vor allem von Pegida-Anhängern gegen Journalisten immer öfter handfest. Allein 2015 habe es, laut ROG, mindestens 39 gewalttätige Übergriffe auf Journalisten und Journalistinnen gegeben – zumeist bei Pegida-Demonstrationen und ihren regionalen Ableger. Frappierend ist zudem, dass Zweidrittel der dokumentierten Übergriffe in Sachsen stattfanden.„Reporter wurden geschlagen, getreten, zu Boden geworfen, ihre Ausrüstung beschädigt oder zerstört. Opfer der Angriffe waren meist Fotografen, Kamerateams oder Reporter vor Übertragungswagen von Radio- und Fernsehsendern – Journalisten also, die leicht als solche erkennbar sind und symbolhaft für die von Demonstranten pauschal verunglimpfte „Lügenpresse“ stehen“, heißt es im Bericht von ROG.
Aber auch von staatlicher Seite gerät die Presse immer mehr unter Druck. So eröffnete die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Eiltempo ein Verfahren gegen die Autoren der ARD-Dokumentation „Tödliche Exporte – wie das G36 nach Mexiko kam“ sowie des Buchs „Netzwerk des Todes“ wegen Geheimnisverrats und Verstoßes gegen das Pressegesetz. Beide Produktionen waren mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Für die Anklage gegen Mitarbeiter der Waffenschmiede Heckler & Koch – Hersteller des G36-Gewehrs – hatte die Behörde hingegen fünf Jahre gebraucht. Gegen Beamte, die den illegalen Waffendeal mit ermöglicht hatten, ist bis heute nicht ermittelt worden.
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