Inzwischen sollte jedem klar sein, dass er sich bei Facebook und Co bis auf die Unterhose auszieht. Dennoch nehmen die meisten Nutzer lieber die Verletzung ihrer Privatsphäre in Kauf, als sich von der Sphäre der sozialen Medien abzukoppeln – dabei gibt es Alternativen.
Einen mittelschweren Hype löste etwa im vergangenen Jahr Ello aus – ein von einem Startup aus Vermont gegründetes Netzwerk, das sich Werbefreiheit und Datenschutz auf die Fahnen geschrieben hat. So verpflichten sich die Macher feierlich, Nutzerdaten nicht an andere Unternehmen weiter zu verkaufen und keine Werbung dritter Parteien zuzulassen. Eine Klarnamenspflicht gibt es nicht, Pseudonyme sind hier gern gesehen. Die aufdringliche Inszenierung als „Anti-Facebook“ wird von manchen allerdings kritisiert.
Bereits 2010 erschien Diaspora auf dem Plan. Der Unterschied zum großen Konkurrenten besteht hier darin, dass die Daten nicht in einem zentralen Rechner, sondern in einem Netzwerk von privaten Servern gespeichert werden, „Pods“ genannt. Der Nutzer kann entscheiden, auf welchem Pod seine Daten gespeichert werden und behält dadurch die Kontrolle über sie. Das macht die Installation allerdings kompliziert und erfordert technische Vorkenntnisse, weshalb Diaspora bis heute eine Nische für technisch Interessierte geblieben ist.
Dieses Manko will der neueste Mitbewerber Whispeer beheben – ein Startup aus Berlin, das erst in diesem Frühjahr an die Öffentlichkeit ging. Whispeer bietet erstmals eine „Ende-zu-Ende“-Verschlüsselung an, was bedeutet, dass nur Sender und Empfänger Zugriff auf die Daten haben, nicht aber der Betreiber des Servers. Anders als Diaspora soll Whispeer dank eines intuitiven Designs auch von Laien sofort nutzbar sein.
Ein Problem, vor dem Netzwerke wie Ello und Whispeer stehen, ist, dass mit der Werbung die „traditionelle“ Einnahmequelle sozialer Medien weg fällt. Ello arbeitet an einem Modell, bei dem der Zugang kostenfrei bleibt, die Nutzer jedoch für einige Funktionen zur Kasse gebeten werden sollen. Whispeer setzt für die Anfangsphase auf freiwillige Spenden der Nutzer. Andere Netzwerke, wie Pheed und Tsu, entwickeln Modelle, nach denen die Nutzer an den Einnahmen beteiligt werden – Zugkraft haben diese aber noch nicht entwickeln können.
Auch bei den Messengerdiensten gibt es Alternativen. Kurzfristig größere Bekanntheit erlangte etwa Threema, das sich als Alternative für wechselwillige Nutzer anbot, als Whatsapp von Facebook übernommen wurde. Threema verwendet ebenfalls eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, genauso wie die Konkurrenten Textsecure und Telegram. Letzterer zeigte jedoch, dass auch mit einer Verschlüsselung keine hundertprozentige Sicherheit geboten werden kann: Die Verschlüsselungstechnik von Telegram wurde bereits von mehreren Kryptographie-Experten für unzureichend erklärt.
Mit jeweils nur wenigen Millionen Usern führen alle diese Netzwerke neben den großen Konkurrenten noch ein Schattendasein. Dass das so bleibt, muss jedoch nicht sein, wie die Vergangenheit zeigt – der ein oder andere wird sich noch daran erinnern, dass hierzulande mal ein Netzwerk namens „StudiVZ“ den Markt beherrschte.
Aktiv im Thema
www.supernerds.tv | www.whistleblower-net.de | www.wikileaks.org
www.crackedlabs.org Österr. Institut, forscht zur Verwertung persönlicher Daten
www.bpb.de/dialog/netzdebatte/202219/vorratsdatenspeicherung
Lesen Sie weitere Artikel
zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema
WELTENKINDER – Was bedeutet Kindsein heute? (Thema im September)
AutorInnen, Infos, Texte, Fotos, Links, Meinungen...
gerne an meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.

Durch Alexa länger leben?
„StreitKultur“-Podiumsdiskussion über die Digitale Revolution – Spezial 06/18
Superwoman und die weißen Männer
Computerspiele hinterfragen zunehmend Geschlechterklischees
13/11 und die eigene Fratze
Über Kultur und Fanatismus – Theaterleben 12/15
Die fabelhafte Welt der Gesetzemacher
Gesprächsrunde mit Dokumentarfilmer David Bernet über „Democracy – Im Rausch der Daten“ – Foyer 11/15
Wir sind das Internet
6. Internetwoche Köln vom Mo 19.10. bis Sa 24.10 – Spezial 10/15
Eine moralische Verpflichtung
ifs Köln zeigte Dokumentation über Widerstand im digitalen Zeitalter – Foyer 09/15
Nix zu verbergen
Eine Analyse unserer persönlichen Daten verrät viel – THEMA 08/15 DIGITALIS
„Persönlichkeitsrechte der Netzbürger schützen“
Falk Garbsch vom Chaos Computer Club über Rechte und Pflichten von Usern – Thema 08/15 Digitalis
Kli Kla Klacks
Intro – Genug für alle
Gerechtigkeit wäre machbar
Teil 1: Leitartikel – Die Kluft zwischen Arm und Reich ließe sich leicht verringern – wenn die Politik wollte
„Je größer das Vermögen, desto geringer der Steuersatz“
Teil 1: Interview – Finanzwende-Referent Lukas Ott über Erbschaftssteuer und Vermögensungleichheit
Gegen die Vermüllung der Stadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Umweltschutz-Initiative drängt auf Umsetzung der Einweg-Verpackungssteuer
Gleiches Recht für alle!
Teil 2: Leitartikel – Aufruhr von oben im Sozialstaat
„Eine neue Ungleichheitsachse“
Teil 2: Interview – Soziologe Martin Heidenreich über Ungleichheit in Deutschland
Klassenkampf im Quartier
Teil 2: Lokale Initiativen – Bochums Stadtteilgewerkschaft Solidarisch in Stahlhausen
Die Mär vom Kostenhammer
Teil 3: Leitartikel – Das Rentensystem wackelt, weil sich ganze Gruppen der solidarischen Vorsorge entziehen
„Die gesetzliche Rente wird von interessierter Seite schlechtgeredet“
Teil 3: Interview – VdK-Präsidentin Verena Bentele über eine Stärkung des Rentensystems
Der Kitt einer Gesellschaft
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Landesverband des Paritätischen in Wuppertal
Der Staat will zuhören
Wandel im niederländischen Sozialsystem – Europa-Vorbild: Niederlande
Armutszeugnis im Reichtum …
… und alternative Fakten im Wirtschaftssystem – Glosse
Konflikt-Kanzler
Intro – Friedenswissen
Herren des Krieges
Teil 1: Leitartikel – Warum Frieden eine Nebensache ist
„Besser fragen: Welche Defensivwaffen brauchen wir?“
Teil 1: Interview – Philosoph Olaf L. Müller über defensive Aufrüstung und gewaltfreien Widerstand
Politische Körper
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Friedensbildungswerk setzt auf Ganzheitlichkeit
Streiken statt schießen
Teil 2: Leitartikel – Das im Kalten Krieg entwickelte Konzept der Sozialen Verteidigung ist aktueller denn je.