Es ist kein Koffer aus Berlin, der am Anfang einer spektakulären Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle auf einer spiegelnden Fläche liegt. Der ist eher ein Artefakt, mit dem einer der größten Nazi-Sammlungen wieder ans Tageslicht gebracht wurde und mit dem auch viele Fragen zum Verbleib von Kunstschätzen, die in den Kriegswirren scheinbar verloren gingen, geklärt werden konnten. „Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NS-Kunstraub und die Folgen“ heißt die Präsentation – wer aufmerksam Nachrichten verfolgt, wird wissen, wer und was damit gemeint ist. Immerhin fand man 2012 über 1.500 Werke namhafter Künstler in einer Münchner Villa, viele davon aus dubiosen Quellen, einige aus nachweislichen Raubzügen der NS-Schergen. Zusammengeklaubt und versteckt hat sie der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895-1956), geerbt und weiterhin der Öffentlichkeit entzogen hat sie sein Sohn Cornelius. Doch die Schau in Bonn zeigt in erster Linie rund 250 aus dem gesicherten Konvolut, verbunden mit Hinweisen zu ehemaligen Besitzern und Transaktionen, soweit bekannt. Und diese Nachforschungen und Beweisketten haben es in sich. So konnte erst im Herbst 2017 Thomas Coutures „Porträt einer jungen Frau“ (1850-1855) als ehemaliger Bestand der Sammlung von Georges Mandel bewiesen werden. Der wurde erst als „Ehrenhäftling“ in den Lagern festgehalten, im Juli 1944 im Wald von Fontainebleau ermordet. Erst ein winziges repariertes Loch zeigte den Provenienzforschern vom Projekt Gurlitt, dass es sich tatsächlich um Raubkunst handelte. Es deckte sich mit einer Verlustliste Mandels.
Ansonsten verschlägt es einem beim Durchwandern der mit Übertiteln strukturierten, fast „Heiligen Hallen“ – von Gustave Courbets „Dorfmädchen mit Ziege“ (1860) über Monets „Waterloo Bridge“ von 1903 bis hin zu Otto Dix und seiner „Dame in der Loge“ (1922) dem Atem; die Reise geht nicht nur durch die Zeit und die Malereigeschichte vor dem Zweiten Weltkrieg, sie lockt auch mit Bildern, die in Schulbüchern als verloren bezeichnet wurden. Doch nicht alle Werke, die in Bonn zu sehen sind, können als Raubkunst identifiziert werden. Gurlitt, obwohl selbst mit jüdischen Wurzeln im System gefährdet, nutze seine Seilschaften als Kunsthändler in Markt und Diktatur schamlos aus, kaufte billig bei Sammler-Familien, die das Geld für die Flucht dringend brauchten, und verkaufte sie gewinnbringend an Museen weiter. Wenn nicht, kamen die für ein paar Mark erstandenen Werke eben in den Bestand im Keller. Es wurde eine fiese Erblast, die den Geschwistern Benita (1935-2012) und Cornelius Gurlitt (1932-2014) zwar ein gesichertes Auskommen, aber glücklicherweise zeitlebens keine Freude bereiten sollte.
Als Parallelausstellung zeigt das Kunstmuseum Bern „Entartete Kunst – Beschlagnahmt und verkauft“ mit rund 160 Werken, meist Papierarbeiten zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit, von denen die meisten in deutschen Museen beschlagnahmt worden waren. Die Bonner Ausstellung zeigen die Schweizer dann anschließend. Was in allen Fällen bleibt, sind die Fragen, die der Fund aufgeworfen hat und die noch lange nicht hinreichend geklärt sind. Es sieht so aus, ab ob nicht alles so dubios war, wie es mal behauptet wurde. Wer will noch recherchieren, was doch mit rechten Dingen zugegangen ist?
„Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NS-Kunstraub und die Folgen“ | bis 11.3. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
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