Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Claude Monet, Waterloo Bridge, 1903, Kunstmuseum Bern, Legat Cornelius Gurlitt 2014, (Provenienz in Abklärung / aktuell kein Raubkunstverdacht)
Foto: David Ertl, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Meisterwerke gegen Reichsfluchtsteuer

25. Januar 2018

„Bestandsaufnahme Gurlitt“ in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/18

Es ist kein Koffer aus Berlin, der am Anfang einer spektakulären Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle auf einer spiegelnden Fläche liegt. Der ist eher ein Artefakt, mit dem einer der größten Nazi-Sammlungen wieder ans Tageslicht gebracht wurde und mit dem auch viele Fragen zum Verbleib von Kunstschätzen, die in den Kriegswirren scheinbar verloren gingen, geklärt werden konnten. „Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NS-Kunstraub und die Folgen“ heißt die Präsentation – wer aufmerksam Nachrichten verfolgt, wird wissen, wer und was damit gemeint ist. Immerhin fand man 2012 über 1.500 Werke namhafter Künstler in einer Münchner Villa, viele davon aus dubiosen Quellen, einige aus nachweislichen Raubzügen der NS-Schergen. Zusammengeklaubt und versteckt hat sie der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895-1956), geerbt und weiterhin der Öffentlichkeit entzogen hat sie sein Sohn Cornelius. Doch die Schau in Bonn zeigt in erster Linie rund 250 aus dem gesicherten Konvolut, verbunden mit Hinweisen zu ehemaligen Besitzern und Transaktionen, soweit bekannt. Und diese Nachforschungen und Beweisketten haben es in sich. So konnte erst im Herbst 2017 Thomas Coutures „Porträt einer jungen Frau“ (1850-1855) als ehemaliger Bestand der Sammlung von Ge­or­ges Man­del bewiesen werden. Der wur­de erst als „Eh­ren­häft­ling“ in den La­gern fest­ge­hal­ten, im Ju­li 1944 im Wald von Fon­tai­nebleau er­mor­det. Erst ein win­zi­ges re­pa­rier­tes Loch zeigte den Pro­ve­ni­enz­for­schern vom Projekt Gurlitt, dass es sich tatsächlich um Raubkunst handelte. Es deckte sich mit einer Verlustliste Mandels.

Ansonsten verschlägt es einem beim Durchwandern der mit Übertiteln strukturierten, fast „Heiligen Hallen“ – von Gustave Courbets „Dorfmädchen mit Ziege“ (1860) über Monets „Waterloo Bridge“ von 1903 bis hin zu Otto Dix und seiner „Dame in der Loge“ (1922) dem Atem; die Reise geht nicht nur durch die Zeit und die Malereigeschichte vor dem Zweiten Weltkrieg, sie lockt auch mit Bildern, die in Schulbüchern als verloren bezeichnet wurden. Doch nicht alle Werke, die in Bonn zu sehen sind, können als Raubkunst identifiziert werden. Gurlitt, obwohl selbst mit jüdischen Wurzeln im System gefährdet, nutze seine Seilschaften als Kunsthändler in Markt und Diktatur schamlos aus, kaufte billig bei Sammler-Familien, die das Geld für die Flucht dringend brauchten, und verkaufte sie gewinnbringend an Museen weiter. Wenn nicht, kamen die für ein paar Mark erstandenen Werke eben in den Bestand im Keller. Es wurde eine fiese Erblast, die den Geschwistern Benita (1935-2012) und Cornelius Gurlitt (1932-2014) zwar ein gesichertes Auskommen, aber glücklicherweise zeitlebens keine Freude bereiten sollte.

Als Parallelausstellung zeigt das Kunstmuseum Bern „Entartete Kunst – Beschlagnahmt und verkauft“ mit rund 160 Werken, meist Papierarbeiten zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit, von denen die meisten in deutschen Museen beschlagnahmt worden waren. Die Bonner Ausstellung zeigen die Schweizer dann anschließend. Was in allen Fällen bleibt, sind die Fragen, die der Fund aufgeworfen hat und die noch lange nicht hinreichend geklärt sind. Es sieht so aus, ab ob nicht alles so dubios war, wie es mal behauptet wurde. Wer will noch recherchieren, was doch mit rechten Dingen zugegangen ist? 

„Bestandsaufnahme Gurlitt – Der NS-Kunstraub und die Folgen“ | bis 11.3. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00

PETER ORTMANN

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23

Die Mutter aller Musen
Aby Warburg in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 06/21

Die Schönheit bleibt nackt
Max Klinger in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 11/20

„Gerade jetzt sind Kunst und Kultur von hoher Bedeutung“
Patrick Schmeing, Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, über digitale Bilderwelten – Interview 05/20

Freude schöner Götterfunken
Beethoven in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/20

Fulminanter Start ins Jubiläumsjahr
Bonn feiert Beethoven – Bühne 12/19

Im Schleudersitz auf der Holzeisenbahn
Martin Kippenberger Retro in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 12/19

Die Leinwandhelden von Weimar
„Kino der Moderne“ in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/19

„Der politische Kampf spiegelt sich auch im Kino“
Kristina Jaspers über „Kino der Moderne“ in der Bundeskunsthalle – Interview 01/19

Flimmernde Bilder, die Menschen veränderten
„Kino der Moderne“ in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 01/19

Land der Geheimnisse
Die Nasca-Kultur in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunst 05/18

Zwischen Fleisch und Reinigungsmitteln
„The Cleaner“ – Marina-Abramović-Retrospektive in Bonn – Kunstwandel 05/18

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!