Sparschweine sind dazu da, dass man sie mit Geld mästet. Es gibt aber auch Sparschweine, denen man nichts zu futtern lässt, sondern an deren Unterhalt man noch spart. Das sind sogenannte arme Schweine. Die muss Monika Ziller, Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbands, gemeint haben, als sie jetzt von den Bibliotheken als den „Sparschweinen der kommunalen Haushalte“ sprach. Seit den Neunziger Jahren wurde das Netz der öffentlichen Bibliotheken ausgedünnt, und dennoch ist ihre Nutzung seit der Jahrtausendwende um 22 Prozent gestiegen. Der soeben erschienene „Bericht zur Lage der Bibliotheken in Deutschland“ belegt, dass die rund 11.000 Bibliotheken über 200 Millionen Besucher und 466 Millionen Ausleihen im letzten Jahr vorzuweisen haben.
Der Dezember ist für mich eine angeschneite Mischung aus Mutter Theresa und Paris Hilton. Er ist Theresa Hilton, die monatgewordene Manifestation von schrillem Schein und wahrer Wohltat. Er ist ein einziges Fest und ein eisiger Frost; mehr noch, der Dezember ist Zuckerwatte und Zahnarzt in einem.
Draußen wird es kälter, was sich positiv auf meine Formulierfreude auswirkt, da ich mehr Zeit damit verbringe, kunstvoll Prädikat an Nomen zu löten. Ich war nicht mehr draußen, seit der Pool im Garten meines Herrenhauses mit einer puckdicken Eisschicht überzogen ist. Das sind 2,54 Zentimeter, habe ich gerade im Regelbuch des deutschen Eishockeyverbandes nachgeschlagen. Ansonsten besitze ich übrigens keine Bücher, sondern nur Heftchen.
In Heftchen stehen nämlich gloriosere Sätze. Nehmen wir das Monatsmagazin der Deutschen Bahn, das „mobil“. Da las ich vor kurzem in einem Artikel über Uhrmacher folgende Passage: „Die Dings und Dongs sind eine Freude für den Benutzer, aber eine Qual für jeden Uhrmacher. Die Repetition ist für ihn das, was der Mount Everest für einen Bergsteiger bedeutet: der schmerzhafte Gipfel der Gefühle.“
Textwelten entstehen im Kopf. Zeichen für Zeichen, Buchstabe für Buchstabe setzen wir aneinander. Jeder einzelne Buchstabe wird mit der Geschwindigkeit von 50 Millisekunden in unserem Gehirn identifiziert und in Kombination mit dem nächsten gesetzt. Der Franzose Stanislas Dehaene, Professor am Collège de France für Experimentelle Wahrnehmungspsychologie, entschlüsselte jetzt einige der wichtigsten Geheimnisse des Lesephänomens. Interessant gerade für deutsche Leser, weil ihnen die Rechnung für jahrzehntelange Lehrmethoden präsentiert wird.
Reinhard Kleist brachte von einer Kuba-Reise das atmosphärische Skizzenbuch „Havanna“ mit. Seine Beschäftigung mit Kuba führte außerdem zu einer „Castro“-Biografie. Kleist spielt aber glücklicherweise nicht den zeichnenden Historiker. Er erdichtet den deutschen Journalisten Karl Mertens, durch dessen schwärmerischen Blick wir auf die Revolution in Kuba und die kommenden Ereignisse blicken.
Es war in den frühen 90er Jahren, in der kurzen Zeitspanne zwischen den neonbunten Jogginganzügen des Pop und den Holzfäller-Hemden des Grunge. Es war, bevor House Tekkno hieß – es war sogar, bevor Tekkno Techno hieß.
Es ist ein Jugendbuch, und die Teenager sollen es lesen. Aber dass Janne Tellers Roman „Nichts – was im Leben wichtig ist“ an Dänemarks Schulen verboten wurde, kann man leicht nachvollziehen. Inzwischen entwickelte sich das nun im Carl Hanser Verlag erschienene Skandalbuch zum internationalen Bestseller, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde.
Er ist natürlich das Ereignis auf der Frankfurter Buchmesse (6.-10.10.). Er war es auch, als er nur einen mehr oder minder schwachen Abglanz seiner „Korrekturen“ produzierte, die ihn 2001 jäh in den Literatur-Olymp katapultierten. Doch jetzt meldet sich Jonathan Franzen tatsächlich zurück; mit kaum mehr für möglich gehaltener Fulminanz. Entgegen der Vielzahl belletristischer One-Hit-Wonder hat sich der Amerikaner wieder seiner Stärken besonnen respektive diese sogar verfeinert.
Literaturadaptionen im Comicbereich gibt es in diesem Monat gleich zwei: Corbeyan und Horne haben sich Franz Kafkas Novelle „Die Verwandlung“ vorgenommen. Eigentlich eine Geschichte, die man gar nicht so grafisch vor Augen haben möchte. Und so ist latenter Ekel vorprogrammiert, wenn man die zugegebenermaßen gelungene Umsetzung in düsteren Zeichnungen von Horne goutiert (Knesebeck). Mit Marcel Prousts „Die Suche nach der verlorenen Zeit“ hat sich Stéphane Heuet ein etwas umfangreicheres Werk ausgesucht. In fünf Bänden visualisiert er Prousts subjektivistische Erinnerungsreise in wundervollen Ligne Claire-Bildern mit Jugendstil-Flair. Gleich im ersten Band „Combray“ findet er eine treffende Umsetzung für die berühmte, Kindheitserinnerungen auslösende Madeleine im Tee (Knesebeck).
In Stefan Melneczuks Werken fegt ein kalter Schauer über das Papier. Der Mystery-Thriller „Marterpfahl“ gibt Lesern die Chance, noch mehr über die verschiedenen Facetten von Gänsehauteffekten zu erleben. Stefan Melneczuk ist einer von diesen charmanten Männern, die mehr zuhören als selbst zu erzählen, unaufdringlich zuvorkommend sind, einen guten Humor haben, aber fast ein bisschen schüchtern wirken.
„A star is born. Fotografie und Rock seit Elvis“ lautet der Titel einer aktuellen Ausstellung im Museum Folkwang. Elvis Aaron Presley gilt als Initialzündung der Rockmusik, auch 33 Jahre nach seinem Tod (den viele Fans und Verschwörungstheoretiker immer noch nicht wahrhaben wollen) als unerreichtes Idol.
Geteilte Sorgen
„Lupo, was bedrückt dich?“ von Catherine Rayner – Vorlesung 08/25
Erste Male zwischen den Welten
„Amphibium“ von Tyler Wetherall – Literatur 08/25
Augen auf Entdeckungsreise
„Jetzt geht’s los!“ von Philip Waechter – Vorlesung 08/25
Düster und sinnlich
„Das hier ist nicht Miami“ von Fernanda Melchor – Textwelten 08/25
Eine wahre Fluchtgeschichte
„Wie ein Foto unser Leben rettete“ von Maya C. Klinger & Isabel Kreitz – Vorlesung 07/25
Die Kraft der Erinnerung
„Das Geschenk des Elefanten“ von Tanja Wenz – Vorlesung 07/25
Alternative Realität in Tokyo
„Tokyo Sympathy Tower“ von Rie Qudan – Literatur 07/25
Zart und kraftvoll zugleich
„Perlen“ von Siân Hughes – Textwelten 07/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Ein Hund als Erzähler
„Zorro – Anas allerbester Freund“ von Els Pelgrom und Sanne te Loo – Vorlesung 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Ein Leben, das um Bücher kreist
„Roberto und Ich“ von Anna Katharina Fröhlich – Textwelten 06/25
Die Spielarten der Lüge
„Die ganze Wahrheit über das Lügen“ von Johannes Vogt & Felicitas Horstschäfer – Vorlesung 05/25
Im Fleischwolf des Kapitalismus
„Tiny House“ von Mario Wurmitzer – Literatur 05/25
Starkregen im Dorf der Tiere
„Der Tag, an dem der Sturm alles wegfegte“ von Sophie Moronval – Vorlesung 05/25
Ein Meister des Taktgefühls
Martin Mosebachs Roman „Die Richtige“ – Textwelten 05/25
Unglückliche Ehen
„Coast Road“ von Alan Murrin – Literatur 04/25
Die Kunst der zärtlichen Geste
„Edith“ von Catharina Valckx – Vorlesung 04/25
Über Weltschmerz sprechen
„Alles, was wir tragen können“ von Helen Docherty – Vorlesung 04/25
Erinnerungskultur
Gegen Vergessen und für Empathie – ComicKultur 04/25
Ein wunderbarer Sound
Natalia Ginzburgs Roman „Alle unsere Gestern“ – Textwelten 04/25
Verlustschmerz verstehen
„Als der Wald erwachte“ von Emma Karinsdotter und Martin Widmark – Vorlesung 03/25
„Schon immer für alle offen“
Marie Foulis von der Schreibwerkstatt Köln über den Umzug der Lesereihe Mit anderen Worten – Interview 03/25
Cool – cooler – Aal
„Egal, sagt Aal“ von Julia Regett – Vorlesung 03/25