Auf der Webseite des Musikfestivals „Acht Brücken“ gibt es einen Werbetrailer, aber kein Ton ist dort zu hören. Kein Ton – das ist etwas seltsam für eine Ankündigung eines Musikfestes. Doch es ist kein technischer Defekt, mit dem man es zu tun hat. Der Trailer ist ein Clip zu John Cages „4:33“ aus den frühen 50er Jahren, einem Meilenstein der Musikgeschichte, bei dem nichts zu hören ist. Cages Werk gleicht eher einer Performance, bei der der Pianist zu Beginn den Klavierdeckel öffnet, und ihn 4 Minuten und 33 Sekunden später wieder schließt, ohne eine Note gespielt zu haben.
„Acht Brücken“ ist der Nachfolger der MusikTriennale. Nach sechs erfolgreichen Ausgaben – von 1994 bis 2010 – mündete die MusikTriennale in den deutlich abgespeckten Nachfolger, dessen Programm sich jeweils auf einen Vertreter der Neuen Musik konzentriert. Bei der Premiere im letzten Jahr widmete man sich mit Erfolg dem französischen Komponisten Pierre Boulez. 9.000 Besucher zählten die Veranstalter, und der 86jährige Ehrengast ließ es sich nicht nehmen, zur Eröffnung in der ausverkauften Philharmonie selbst zu dirigieren. Das wird in diesem Jahr nicht passieren. John Cage starb mit fast 80 Jahren im Jahr 1992. Doch seine Werke, darunter jene für das von ihm Anfang der 1940er Jahre entwickelte präparierte Klavier, sind unsterblich. Und abgesehen von „4:33“ sind sie alle hörbar. Vom 29. April bis zum 6. Mai finden an ca. 20 Spielstätten 70 Veranstaltungen statt. Die Orte des Festivals sind nicht nur geografisch weit gestreut, auch ihr Charakter ist mannigfaltig und reicht von einem klassischen Hochkulturtempel wie der Kölner Philharmonie bis zu der Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente in der Rodenkirchener Brücke. Ebenso vielseitig ist das Programm, das im Kern John Cage gewidmet ist. Es werden von Sinfonischer Musik bis zur Kammermusik sämtliche Besetzungen von unter anderem solch renommierten Institutionen der Neuen Musik wie dem Ensemble Moderne und der musikFabrik durchgespielt. Neben Werken von John Cage werden aber auch Stücke anderer Komponisten aufgeführt. Die Palette reicht von Bach über Gershwin zu Frank Zappa. Letzterer ist in einen achtstündigen Abend integriert, an dem man unter anderem Musik von Morton Feldman, Steve Reich und natürlich John Cage entdecken und erfahren kann. Daneben gibt es auch Exkursionen in andere Musiksparten: Jazz steht ebenso auf dem Programm wie Weltmusik und elektronische Sounds. Vorträge unterfüttern das musikalische Programm mit Wissen, während man sich in Workshops der Praxis nähern kann. Und spezielle Kinderkonzerte sollen den kleineren Hörern die Musik näherbringen.
Besonders hingewiesen sei auf das von choices präsentierte Filmprogramm des Festivals. Hier ist zum Beispiel „One 11 and 103“, John Cages erster und einziger Film, den der Musiker zwei Monate vor seinem Tod fertiggestellt hat, zu sehen. Außerdem wird eine Dokumentation des britischen Filmemachers Peter Greenaway über den Komponisten gezeigt, und eine Dokumentation von Elliot Caplan erforscht die Zusammenarbeit von Cage und dem Tanzchoreographen Merce Cunningham im Jahr 1991. Der eingangs erwähnte Clip auf der Webseite des Festivals ist übrigens auch ein Hinweis auf einen Wettbewerb. Alle Interessierten sind eingeladen, ihre Video-Clips zu John Cages „4:33“ auf www.achtbruecken.de hochzuladen. Einsendeschluss ist der 27. April, abstimmen kann jeder direkt auf der Webseite.
„Acht Brücken. Musik für Köln“ I 29.4.-6.5. I diverse Orte I www.achtbruecken.de
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