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Weihnachtswarnung

28. November 2024

Intro – Erinnerte Zukunft

Früher war alles besser, sogar die Zukunft! – lautet eine dem Satiriker Karl Valentin (1882-1948) zugeschriebene Pointe. Vergangenem nachzusinnen gilt häufig als Marotte von Menschen, die im Bedauern gefangen sind. Zugleich aber, betonen Psychologen, kann man sich so der schönen Momente im Leben versichern und Dankbarkeit spüren sowie Kraft und Zuversicht schöpfen, um gegenwärtige Herausforderungen zu bestehen. Unser Monatsthema Erinnerte Zukunft fragt, wie wir uns mit Vergangenem und Überliefertem auseinandersetzen.

Unsere Leitartikel schlagen vor, bewusst und spielerisch damit umzugehen, dass die (Pop-)Kultur mehrerer Generationen durch die Digitalisierung so leicht wie nie zuvor zugänglich ist, warnen davor, angesichts der gegenwärtigen Krise die Wirtschaftspolitik der Vergangenheit zu idealisieren und überlegen, was Erinnerungen mit einem guten Leben zu tun haben.

In unseren Interviews verrät der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter, welche Ladengeschäfte gute Chancen haben, nicht durch Onlinehandel verdrängt zu werden, der Medienpsychologe Tim Wulf, wie Nostalgie und Politik miteinander zusammenhängen und der Kognitionspsychologie Lars Schwabe, warum unsere Erinnerung mitunter trügt.

In unseren Lokalbeiträgen erfahren wir beim Netzwerk 2. Hand Köln, warum Sammelstellen kaum noch alte Kleidung erhalten, die als Spende weitergegeben werden kann, beim Regionalverband Ruhr, wie die Route Industriekultur zwischen Vergangenheit und Gegenwart vermittelt und beim Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal, was der zivile Widerstand gegen den Nationalsozialismus mit unserer Gegenwart zu tun hat.

Popmusik ist heikel. Sie erschallt schier überall, genauer, sie wird einem aufgezwungen. Beispielsweise gab es einst kaum einen Ort, an dem man sicher war vor Fatboy Slims „Praise You“, veröffentlicht vor einem Vierteljahrhundert. Der Musiker und DJ sampelte hierin die ersten Gesangszeilen aus Camille Yarbroughs „Take Yo’ Praise“ – der großartige Soulsong war wiederum ein Vierteljahrhundert vor Fatboy Slims Hit erschienen. Im Original preist Yarbroughs lyrisches Ich ihren Partner – allerdings mit Worten und in einem fordernden wie liebevollen Tonfall, sodass kein Zweifel daran bleibt, dass hier eine selbstbewusste, lebenserfahrene Frau spricht, dankbar, ja, aber keineswegs unterwürfig. So liegt der Witz nicht darin, dass sie tatsächlich froh ist, diesen Partner zu haben, sondern darin, dass jede ihrer Dankeszeilen auch ihren eigenen Wert unterstreicht. Von dieser Rotzigkeit und Selbstbestimmung ist in Fatboy Slims Anleihe nichts geblieben – schlimmer noch: sie tut so, als himmele hier halt eine Frau ihren Mann an. Dieses musikalische Spiel mit der Vergangenheit ist gründlich misslungen! Apropos Musik in der Öffentlichkeit: In der Weihnachtszeit erlaube ich mir, zu erhöhter Vorsicht zu raten.

Dino Kosjak/Chefredaktion

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