Sie kommen aus Paris und haben schon weit über 500 Konzerte gespielt: Les Yeux d‘la Tête sind ein grandioses Live-Sextett, das mit ihrer französischsprachigen „Musik ohne Grenzen“ gern ins Ausland reist und es auch geschafft hat, etwas von seiner Spielfreude auf ihre bislang drei Longplayer zu packen. Trotzdem: So eine Band entdeckt man garantiert nicht im Radio, dafür sind ihre Lieder nicht geschrieben, man muss sie schon live an ihren wechselnden Instrumenten erleben. Ihre Freude an unterschiedlichen Musikstilen von Jazz und Chanson, Reggaeton und Ska, bis Balkan Beat und Rock, die von besinnlich bis frech gespielt werden und die sie nahtlos aneinanderstellen, zitieren und vermischen, sorgte im Stadtgarten im Rahmen des Kompott-Abends für einen spannenden und unterhaltsamen Start ins Wochenende, bei dem, wo immer etwas Platz war, auch unbedingt getanzt wurde.
Die beiden vor allem autodidaktischen Sänger und Gitarristen Benoît Savard und Guillaume Jousselin, die sich an einer Musikschule in Pigalle kennenlernten, gründeten die Band 2006 als Akustik-Quintett. Ohne Schlagzeuger war es leicht, einfach mal die Instrumente herauszuholen, ob auf Partys oder in den Gängen der Metro, und zunehmend gut besuchte Konzerte in den Bars und Cafés zu geben, wo Legenden wie Django Reinhardt dieselbe Luft geatmet hatten. Obwohl stark in der Rockmusik verwurzelt, knüpften sie stark an die Traditionen von Straßenmusikern, des Chansons und des Gyspy Swing an und ließen sich beim Komponieren von Paris, Montmartre und den Frauen inspirieren. Diese Anfangszeit wurde 2008 auf dem ersten Album konserviert und führte zu der Entscheidung, professionell bei der Musik zu bleiben und den Chanson an das globale Musikgeschehen anzuschließen.
Seit 2009 kommen sie vor allem auch häufig nach Deutschland. „Wir haben euch vermisst“, sagt Benoît im Stadtgarten, nachdem die Band mit einer Dreiviertelstunde Verspätung auf die Bühne eilt. In der ersten Jahreshälfte waren sie unter anderem schon in Berlin, München und Hamburg gewesen. Im Stadtgarten, den sie 2013 kennenlernten, waren sie zuletzt vor 18 Monaten aufgetreten, und manche Besucher kannten die Band. Aber wen die mit Vodka lockenden Veranstalter der monatlichen Kompott-Reihe buchen, die in Ost und West nach Unterhaltungsmusik abseits des Mainstream Ausschau halten, gilt ohnehin als ausreichend empfohlen.
Nach wie vor feiern die Jungs ihr zehnjähriges Jubiläum mit einem wirklich bunten Programm aus Songs von ihrem 2016er-Album „Liberté Chérie“ und eingestreuten Rückblicken wie „Un peu trop“, das Guillaume als den „ersten Song, den wir geschrieben haben“ ankündigt. Der Rock- und Jazz-Drummer Xavier Hamon, der im Rahmen der Zugaben an seinem riesigen Schlagzeug mit einem längeren Drum-Solo begeisterte, hat bei solchen frühen Songs Pause. Das hintere Ende der Stücke, in dem meist ein Bandmitglied mit einem Solo hervortritt, wird gern mit dynamischen Instrumentalparts ausgefeiert.
Dem Jubiläum konnte auch das einfach gestrickte „I Don’t Speak English“ zugerechnet werden, das 2014 zunächst auf der gleichnamigen EP erschien, dann aber doch noch auf dem Album landete und nun als zweite von drei Zugaben gespielt wurde. Zum einen macht sich der Song über französische Musiker lustig, die um jeden Preis auf Englisch singen wollen. Zum zweiten geben Les Yeux im Stadtgarten zu, dass sie, vielleicht mit Ausnahme von Benoît, wirklich schlecht Englisch können. Anders als auf Platte ist der Song aber unter Vorwand des ewigen Jubiläums ein Vehikel geworden, um die eigenen frühen musikalischen Einflüsse nicht nur textlich zu zitieren. Wenn man Pech hat, wird bei Konzerten nur „Come As You Are“ angedeutet, dagegen wurde im Stadtgarten zur allgemeinen Freude auch der Riff aus „Smells Like Teen Spirit“ hervorgeholt. Dick Dales „Misirlou“ fehlte, aber Benoît baute seine Hommagen an den Surfrock in der Live-Version von „Parisiennes“ weiter aus.
Von den häufig humorvollen und manchmal gerappten Texten kommt in Deutschland nicht so viel herüber, obwohl die Texte bei der Gruppe Vorrang haben. Die Musiker erwarten das auch nicht und wissen zu vermitteln, worum es ungefähr geht. Alle waren sichtlich zufrieden an diesem Abend, und die Band dürfte den Auftritt genossen haben, der diesmal nicht direkt Teil einer Tour gewesen ist. Im Konzertsaal folgte die Kompott-Party.
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