Ein Musikfestival mitten in der Stadt, in einem alten Kino, als Headliner Thurston Moore von Sonic Youth und Jochen Distelmeyer: Das von Jörg Waschat und Jan Lankisch aus der Taufe gehobene Week-End Fest hat vor einem Jahr allgemeine Begeisterung ausgelöst und internationales Flair nach Köln gebracht. Dass mit dem Verlust des besonderen Spielortes (dass die Stadt den Leerstand des alten Ufa-Palastes billigt, ist ein Politikum, das mehr Beachtung verdient) auch die Stimmung verloren gehen könnte war die große Befürchtung für die zweite Ausgabe in den Balloni-Hallen, die man verklausuliert Alte Kranfabrik nannte, um ein wenig Credibility zu wahren. Tatsächlich wirkte die aus Ermangelung coolerer Alternativen gebuchte Eventhalle am Freitag noch etwas kühl. Aber nach ersten Höhepunkten wie dem Elektroniker Felix Kubin oder der weltweit beachteten Interpretation von Cans Album „Ege Bamyasi“ durch Stephen Malkmus am Samstag sowie dem furiosen Abschluss am Sonntagabend konnte davon keine Rede mehr sein. Das Event um die Kölner Krautrock-Legende Can hatte im Vorfeld sicher das meiste internationale Echo ausgelöst: Indie-Ikone Malkmus (Pavement) hebt die derzeitige Manie, alte Alben komplett live aufzuführen, auf ein neues Level: Zusammen mit den Musikern der Kölner Band Von Spar und unter freudiger Anteilnahme zweier Can-Musiker interpretierte er anlässlich des 40. Jubiläums das komplette vierte Album von Can. Da schwirrten Gefühle großer Erhabenheit durch den gar nicht mehr so kühlen Raum. Als dann am Sonntag eine berauschende Show auf die nächste folgte – von den grandiosen Popabstraktionen von Deerhoof über Chain and the Gang mit Ian Svenonius als Prediger bis zu den Goldenen Zitronen, deren Sänger Schorsch Kamerun am Ende das wegen Nachbarschaftsbeschwerden abgedrehte Mikro mit dem Umdrehen der Monitorbox konterte und gleich darauf auf den Amp-Turm unter das Dach der Halle kletterte – konnte sich Lankisch nur noch mit krächzender Stimme bei Bands und Publikum für das tolle Festival bedanken. Der Dank geht zurück, nicht ohne auf Jörg Waschats Appell an die Stadt Köln zu verweisen: „Gebt uns einen Raum“, rief er in die Halle, in der Hoffnung, Vertreter der Stadt seien anwesend. Wenn das nicht der Fall war: Es wäre nicht nur aus musikalischer Sicht, sondern auch für das Stadtmarketing unklug, das Ende eines solchen – weithin beachteten – Festivals zu riskieren. Ob die beiden und ihre Helfer im nächsten Jahr noch mal auf dem Level der Selbstausbeutung antreten, ist ungewiss. Eine gute und finanzierbare Location würde helfen.
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