choices: Frau Heschel, welches Frauenbild entwirft das Judentum?
Susannah Heschel: Ich denke nicht, dass es so etwas wie „das“ Judentum gibt. Es wird von jeder Generation neu geschaffen, an unterschiedlichen Orten, unter ganz unterschiedlichen Einflüssen. Beteiligt daran sind Männer wie Frauen, wobei die Sichtweise von Frauen je nach dem jeweiligen Zusammenhang durchaus differieren kann.
Wie wichtig ist die Gleichberechtigung der Frauen für die Zukunft des Judentums?
Die Gleichberechtigung von Frauen ist entscheidend für die Zukunft des Judentums, nicht nur wegen seiner Integrität und dem weiblichen Wohlbefinden, sondern auch, weil sich unsere Welt so schnell ändert und Frauen benötigt werden, die gut ausgebildet, innovativ und am Wohl der Welt interessiert sind. Gleichheit stellt sich im Übrigen nicht so einfach her: Frauen benötigen ein bestimmtes Umfeld – wie Männer auch –, das sich im Laufe ihres Lebens auch ändern kann.
Es gibt dazu unterschiedliche Auffassungen.
Der Sexismus innerhalb des Judentums ist nicht auf die orthodoxe Community beschränkt. Auch die liberalen Juden haben hier Probleme. Frauen mögen in der Synagoge im Rahmen des Ritus als Gleiche behandelt werden, trotzdem werden sie häufig gönnerhaft behandelt oder von den Leitungsgremien ausgeschlossen. Die Mechiza – der Vorhang, der in der orthodoxen Synagoge Männer und Frauen trennt – gibt es sichtbar und materiell nur bei Orthodoxen, aber er ist auch in liberalen Synagogen vorhanden, wenn auch unsichtbar. Hier gibt es noch viel zu tun.
Womit muss frau beginnen?
Das Wichtigste ist, dass Frauen Teil der Entscheidungsprozesse innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in allen Facetten werden – bei politischen Fragen ebenso wie bei finanziellen, bei Fragen der Bildung oder der Religion. Mittlerweile können Frauen ordinierte Rabbinerinnen werden, aber sie erhalten nicht das gleiche Gehalt wie ihre männlichen Kollegen. Frauen erreichen auch nicht die wirklichen Top-Positionen innerhalb der jüdischen Organisationen. Oft wird mir berichtet, dass es für Frauen in der jüdischen Gemeinde schwieriger ist, Respekt und Anerkennung zu finden als in der säkularen Welt. Ich selbst werde häufig zu Konferenzen eingeladen und bin dann die einzige Frau im Programm.
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