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Tony Takitani
Japan 2004, Laufzeit: 75 Min.
Regie: Jun Ichikawa
Darsteller: Issey Ogata, Rie Miyazawa, Takahumi Shinohara, Hidetoshi Nishijima

Schwarzer Sand in fahlem Mondlicht. Ein ausgemergelter Mann. Nächtlich wandernd. Auf seinem Weg durch die Dämmerung. Zu seinen Füßen ein kleiner Junge, der aus dem feuchten Grund die naturgetreue Abbildung eines Segelschiffes formt. Eine bildgewaltige Komposition aus Einsamkeit und Sehnsucht, die - noch untermalt von fragilen Klängen - die leise und doch so schwer lastende Melancholie des Films, der Geschichte vorgibt: "Ich hielt mich nicht für besonders einsam." Im Gegenteil: Allein zu sein erscheint dem jungen Tony Takitani vielmehr als natürlicher Zustand. Die Mutter kurz nach seiner Geburt verstorben, der Vater beständig mit seiner Jazzband unterwegs, richtet er sich von Kindesbeinen auf Einsamkeit im Leben ein. Seine detailgetreuen Zeichnungen füllen die Leere, die ihn umgibt. Mag man ihm später an der Akademie auch vorwerfen, dass seine naturalistischen Abbildungen nur die Oberfläche widerspiegeln und in ihrer mechanischen Kälte jeglicher emotionaler Inhalte entbehren, die Präzision erscheint ihm als Reifezeugnis - und sein durchschlagender Erfolg gibt ihm augenscheinlich Recht. Bis die adrette Eiko die Festen seines perfekt konstruierten Refugiums durchbricht. Doch wer hofft, dass der Film nun mit seinem schleichenden, bisweilen fast monotonen Erzählstil bricht, sieht sich getäuscht: Der Geschichte wird nur eine weitere Form der Einsamkeit hinzugefügt, die diese nicht nur schlagartig im Bewusstsein des Protagonisten verankert, sondern auch noch die Angst vor ihr. Und genau hier zeichnet sich Jun Ichikawas Adaption von Haruki Murakamis gleichnamiger Erzählung (soeben erschienen bei DuMont) aus: in der perfekten Vollendung der Schwermut. So sehr sich Tony und Eiko auch lieben, erscheinen sie doch als Einzelwesen. In sich selbst gefangen. Mit ihren Sehnsüchten, Gefühlen, Ängsten, die durch ihre Leidenschaft nur noch verstärkt werden. Je mehr sie sich einander hingeben, desto weiter treiben sie voneinander fort. Ein Dilemma, das Jun Ichikawa konsequent umsetzt, indem er seinen Erzähler sogar den leer laufenden Dia- und Monologen der Liebenden zu Hilfe eilen lässt. Ein destruktives Erzählmoment, das die Zerbrechlichkeit des Selbstkonstrukts namens Ich nur noch deutlicher zu Tage treten lässt. Vermag die von klein auf verinnerlichte Akzeptanz für die jeweils gewählte Lebensform die Vater-Sohn-Beziehung auch in all ihrer Distanziertheit noch zu tragen, so geht diese Rechnung in der Gleichberechtigung der Liebe nicht mehr auf. Tony kann nicht verstehen, dass Eikos fragiles Ich allein durch ihre Obsession für Designer-Klamotten zusammengehalten wird. Oder vielmehr: Er spürt es zwar - genauso wie er zu ahnen scheint, dass hinter der Fassade seiner 'technischen Zeichnungen' ein unerkannter Motor tickt - und doch zwingt er Eiko, ihre schützenden Hüllen fallen zu lassen. Zurück bleibt schmerzende Leere. Der begehbare Kleiderschrank eine klaffende Wunde, die Eikos Nachfolgerin Hisako beim Anblick dieses Ausmaßes menschlichen Schicksals in ihren eigenen Grundfesten erschüttern wird. So werden aus einer Einsamkeit zwei, drei, vier, was Jun Ichikawa noch dadurch unterstreicht, dass er nicht nur die Rollen von Sohn Tony und Vater Takitani mit Issey Ogata besetzt, sondern auch die von Eiko und Hisako mit Rie Miyazawa in einer Schauspielerin vereint. Einsamkeit bleibt Einsamkeit. In ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Stellt sich allein die Frage, in wie weit der Mensch dafür höchstselbst veranwortlich zeichnet. So typisch diese Thematik auch für den der US-Literatur zugeneigten Schriftsteller und Jazz-Liebhaber Murakami ist, so straff bläst dem "batakusai" (nach Butter stinkenden Wessi) in seiner das Kollektiv performenden beziehungsweise propagierenden Heimat bisweilen immer noch der Wind entgegen. Dabei erweist sich seine 'verzweifelte' Philosophie des sich selbst gestaltenden Individuums gerade in einer durch und durch vorstrukturierten Welt als letzter Hoffnungsschimmer. Wem das zu schwermütig ist, der kann sich ja anders entscheiden...

(Lars Albat)

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