Im Namen meiner Tochter – Der Fall Kalinka
Frankreich, Deutschland 2016, Laufzeit: 87 Min., FSK 12
Regie: Vincent Garenq
Darsteller: Daniel Auteuil, Sebastian Koch, Marie-Josée Croze
>> www.imnamenmeinertochter-film.de
Drama über ein obsessives Streben nach Gerechtigkeit
Selbstjustiz
„Im Namen meiner Tochter – Der Fall Kalinka“ von Vincent Garenq
Am Morgen des 10. Juli 1982 liegt Kalinka, die 14-jährige Tochter des französischen Finanzfachmanns André Bamberski, tot in ihrem Bett. Sie war zu Besuch in Deutschland bei ihrer Mutter und deren Partner, dem Arzt Dieter Krombach. 2009 wird Krombach in Paris wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünfzehn Jahren Haft verurteilt. 27 Jahre liegen zwischen Tat und Verurteilung. 27 Jahre, in denen André Bamberski für Gerechtigkeit gekämpft hat und sein Bestreben durch die Justiz dreier Länder unterlaufen wurde. Das Drama von Vincent Garenq folgt André Bamberski durch die knapp drei Jahrzehnte. Genug Stoff für eine ganze Serie. Garenq aber benötigt dafür keine neunzig Minuten.
Dies erfordert Verknappung und Vereinfachung. Der Regisseur entschied sich dazu, die juristischen Belange zu vernachlässigen. Das ist für dieses Format vernünftig, hinterlässt aber auch offene Fragen: So wurde der Fall in Deutschland trotz fragwürdiger Beweisaufnahme rasch ad acta gelegt. In Frankreich wird Krombach Mitte der 90er Jahre in Abwesenheit verurteilt. Als er in Österreich aufgegriffen wird, erfolgt keine Auslieferung. Zugleich fehlt es seitens der französischen Justiz an nötigem Nachdruck. Was war da los? Garenq umgeht die komplexe Vertiefung und konzentriert sich stattdessen auf Bamberski. Und das ist klug. Sein Drama erzählt die Geschichte einerseits im Schnelldurchlauf. Aber es wirkt dabei nie gehetzt, denn es bremst an den entscheidenden Stellen ab und findet Zeit, das Seelenleben seines Protagonisten zu beleuchten. Und - besonders interessant - das seiner Ex-Frau (Marie-Josée Croze). Während der Vater das Verbrechen aufdeckt, verschließt die Mutter die Augen. Ein Schutzmechanismus, der sie von Selbstvorwürfen befreit und den sie umso verhärteter aufrecht erhalten muss, je erdrückender die Beweislast wird. Daniel Auteuil bespielt derweil die ganze Bandbreite des Martyriums seiner Figur. Vom ersten schmerzvollen Tränenfluss, als ihn die Nachricht vom Tod seiner Tochter erreicht, bis hin zum Rand des Wahnsinns, in den er sich über die Jahrzehnte hinein steigert. Zugleich erleben wir, wie er an seiner verzweifelten Hartnäckigkeit wächst und sich in Anbetracht ausbleibender Unterstützung umfangreiches Fachwissen aneignet. Das definiert zugleich den Begriff der Selbstjustiz neu, auch wenn sich Bamberski auf der Zielgeraden dann tatsächlich jenseits der Legalität bewegt. Auteuil jedenfalls spielt mitreißend. Sebastian Koch überzeugt gleichwohl als sein Gegenpart. Momentan scheint er auf die Rolle des sanftmütig erscheinenden Arztes mit Abgründen festgelegt („Nebel im August“). Doch gelingt ihm dies hier nicht minder überzeugend.
Dann sind die knapp neunzig Minuten vorbei und man ist dankbar dafür, dass man nicht mit juristischen Details erschlagen wurde. Dass Garenq nüchtern erzählt und auf melodramatische Momente verzichtet. Die epochale Geschichte hinterlässt gebündelt eine Wucht, die nachhallt und einen fassungslos sowie emotional ergriffen zurück lässt.
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24