Elegy oder die Kunst zu lieben
USA 2008, Laufzeit: 108 Min.
Regie: Isabel Coixet
Darsteller: Penélope Cruz, Sir Ben Kingsley, Dennis Hopper, Peter Sarsgaard, Patricia Clarkson, Deborah Harry, Michelle Harrison, Chelah Horsdal, Sonja Bennett, Laura Mennell
Melancholisch
Lane (11), 17.10.2008
Hi & hallo,
ich kann mich nur dem anschließen, was Biggi hier schon geschrieben hat: Den Film muss Mann sich mindestens einmal anschauen, wenn nicht sogar öfter.
Sincerly yours,
Lane
10 Gründe den Film anzusehen
Der Doc (14), 06.09.2008
Das Schönste am Film war: hinterher auf der Männertoilette. Vier gestandene Kerls hingen da vor dem Spiegel rum und putzen sich das Gesicht trocken, der Fünfte erledigte das Naseschnäutzen einhändig beim Pinkeln. Da fiel es mir nicht schwer, eines dieser hässlichen grauen Papiertaschentücher aus den Handtuchspender zu ziehen und mir auch mal die Feuchtigkeit um die Augen zu beseitigen. Das war einer dieser raren Momente echter Männersolidarität, den nur die anonyme Herrentoilette einer Großstadt erlaubt.
Das zweite Schöne war, dass nach dem Kino draußen schönes Wetter war. Im Film hatte es immer nur geregnet. Nicht einfach so, sondern in Strömen. Und in Cape Cod war immer Nebel und Nieselregen. War das ein Zufall, weil der Film gerade im Monsun gedreht wurde, oder wollte uns das was sagen? Ich glaube letzteres. Alles ist im Fluss, draußen regnet es, wir haben in dieser Welt und ihrem unsteten Leben keine Bleibe, Beziehungen sind ständig in Gefahr aufzuweichen wie Schuhe im Regen, der Regen strömt und die Tränen fließen. Zu Venedig gehört schließlich auch stilecht Nebel und nicht Sonnenschein, das ist Romantik. Aber wenn Amerika so verregnet ist, fährt man doch nicht nach New York und spart ne Menge Geld. Das ist eigentlich schon der dritte Grund, in den Film zu gehen.
Das vierte Schöne am Film war, dass Penelope Cruz eigentlich gar nicht schön ist. Sie sah vielmehr im Film aus wie das kleine Mädchen von Nebenan, das jeder kennt. Kein Abziehbild, das finde ich sehr sympathisch. Stars sind eben auch nur Menschen, selbst wenn sich anders sehen. Im Film wandelte sie sich mehrmals vom Glamourstar zu verschnieften pickligen Rotzgöre; es tat gut zu sehen, dass in uns allen eben beides drinsteckt.
Das fünfte Schöne war, dass der Film den blöden Satz von den unwiderruflichen Chancen außer Kraft setzte. Hatten die Protagonisten zwar die Chance ihres Lebens zu Liebe verpasst, scheinbar endgültig, so fielen sie sich dann später erneut in die Arme. Man sieht sich eben doch immer zweimal im Leben. Und das Blatt kann sich wenden. Wer eben noch alt und perspektivlos ist, wird der Dynamischere, wer jung und lebenshungrig ist, kann morgen schon auf der Intensivstation die Stunden zählen. Oder wie sagt die Werbung: ?Geht nicht, gibt´s nicht?. Das war doch sehr tröstlich. So war den Hauptfiguren des Films und damit auch dem Zuschauer eine echte Katharsis gegönnt. Danke.
Der sechste Grund, den Film schön zu finden, war, das man von Hektik und Aktion verschont blieb. Er schwelgte statt dessen in ruhigen Bildern. Regentropfen rollten auf der Fensterscheibe, die Kamera kraulte sich liebevoll durch das graue Brustfell des alternden Silberrückens Ben Kingsley. Die schönste Szene war, wie die Finger des Protagonisten über die Tasten des Klaviers fuhren. Schwarz und weiß, schwarz und weiß, Schönheit ist einfach, ruhig und symetrisch.
Sehr reizvoll war auch die Idee der Hauptdarstellerin, sich in voller Jugend und Nacktheit fotografieren zu lassen, bevor Alter und Krankheit zuschlagen. Zwar hat wohl jeder diesen Gedanken schon gehabt und viele haben ihn realisiert, aber nur selten wurde es so schön und stimmig gezeigt. Unsere Medienprofessoren würden sagen: ein Medium schäktert mit dem anderen, der Film zwinkert der Fotografie zu. Und das dann auch noch mit der Schwarz-Weiß-Fotografie, mit einer alten Hasselblad, keine Digitalkamera, das war echt Nostaligie. Spätestens da war klar, dass Ben Kingsley alias David Kepesh wirklich ein Dinosaurier ist, der sich nur zufällig in die Zeit der schönen Studentin geschleppt hatte. Sehr überzeugend, der siebte Grund den Film zu sehen.
Der achte war die ironische Heiterkeit, mit der die Beziehungsunfähigkeit des modernen Großstädters beleuchtet wurde. Das haben wir zwar woanders auch schon gesehen, aber hier kam es besonders frisch rüber. Am stabilsten sind am Ende noch die Beziehungen, bei denen sich ohne jeden Anspruch alles nur auf der Bettkante abspielt. Jeder sorgt sich, nicht zu viel von sich preis zu geben, sich nicht zu abhängig zu machen, es ist nie die richtige Zeit zum Kinder kriegen und Verantwortung übernehmen. Endgültige Aussagen werden nie gegeben, bis das Leben selbst sehr elementare Antworten verlangt. Das war schon sehr lehrreich und wahrhaftig.
Am Rande werden auch die Beziehungen von Eltern und Kindern behandelt.Selbst die moralinsauren Kinder, die alles besser machen wollen als ihre hedonistischen Alt-68iger-Eltern, verheddern sich schließlich in den undurchsichtigen Mächten der Gefühle und Beziehungsgeflechten, bis sie nicht mehr ein noch aus wissen. Am Ende gibt es doch ein Augenzwinkern über den Generationengraben.
Der neunte Grund, den Film zu mögen, ist, dass auf ein echt kitschiges Happy End verzichtet wurde. Der alte Herr hat zwar was über die Macht der Gefühle gelernt und über die Umkehrbarkeit der Zeit, aber trotz allem, so richtig festlegen tut er sich ja immer noch nicht. Auf die unausgesprochene Frage, ob er bei seiner nunmehr brustlosen Freundin bleiben wird, antwortet er nur, ?ich bin ja da?. Schon wahr, aber wo ist er morgen, das bleibt offen. Es wird nicht mehr versprochen, als Mensch sicher halten kann, das ist wenigstens ehrlich.
Ach ja, noch der zehnte Grund. Hinterher, im Auto, dachte ich: Was ein Frauenfilm. Schon der Name ?Elegy? spricht da ja Bände. Der ganz große Erfolg wird der Film wohl nicht werden, weil überwiegend nur die weibliche Hälfte der Menschheit reingeht. Ein Film für Frauen also. Derart hat man auch eine Schublade für den Film und das tut immer gut. Männer sind so viel Gefühle im Film nicht gewohnt, wie die Herrentoilette bewies. Siehe oben. Aber man kann ja mal bei den Frauen spionieren. Und da spionieren Spass macht, ist das sogar ein Geheimtip für Männer.
Der Film des Jahres
Biggi (153), 28.08.2008
Das Thema, alter Uniprofessor mit junger Studentin, ist bestimmt tausendmal verfilmt worden, aber nie so unfiebrig gut, wie ein Kritiker sagt. Das Drehbuch, die Vorlage, nicht zuletzt die 1a besetzten Schauspieler - spitze.
Der Film zeigt eindringlich die Einsamkeit der beziehungslosen Menschen und deren Unfähigkeit zu lieben und Verantwortung zu übernehmen. Die Kommentare und "Lebensanleitung für Affären" Georgs, des Freunds des Protagonisten Davids, wirken komisch machohaft in der zarten Inszenierung von Coixet. Die Regisseurin bringt Ihre Weiblichkeit mit ein, schlägt sich jedoch nicht auf ihre Seite und zeigt ein verständnisvolles Bild der dargestellten Männer.
Der Film ist so dicht und ausdrucksstark mit viel Wortwitz, den muss man sich mindestens einmal anschauen - wenn nicht sogar öfter.
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