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American Beauty

American Beauty
USA 1999, Laufzeit: 121 Min., FSK 16
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Kevin Spacey, Annette Bening, Thora Birch, Wes Bentley, Mena Suvari, Peter Gallagher, Allison Janney, Scott Bakula, Sam Robards, Chris Cooper

Die amerikanische (Mittelstands-)Familie als Mikrokosmos der Gesellschaft und Keimzelle von Neurosen war immer wieder Thema im Hollywood-Kino, zog sich von der Komödie bis hin zum Western durch alle Genres . Manchmal entluden sich die seelischen Deformationen in physischen Verrenkungen wie bei Jerry Lewis, mündeten in gewalttätigen Aktionen wie in Paul Schraders "Der Gejagte" oder wurden von Robert Redfords "ganz normaler Familie" solange es geht unter den Teppich gekehrt. Ang Lee warf vor zwei Jahren einen Blick zurück in die 70er jahre, wo gesellschaftlicher (Vietnam-)Frust mit privatem korrespondierte ("Der Eissturm") , während Todd Solondz mit seinem Familienporträt "Happiness" , dessen Titel selbstredend nackter Hohn ist, mit der Jetztzeit konfrontiert. Auch das Spielfilm-Debüt des am Londoner Westend ("Cabaret") und Broadway ("The Blue Room") gefeierten Theater-Regisseurs Sam Mendes entführt uns in eine amerikanische Vorstadt der 90er Jahre, in die Generation der Endvierziger, die nach der Midlife-Krise nun von ihrer zweiten Pubertät erfasst werden: Lester Burnham (Kevin Spacey), dessen ehelicher Sex schon lange der Masturbation gewichen ist, verliebt sich in die Klassenkameradin seiner minderjährigen Tochter Jane (Thora Birch). Während seine Frau Carolyn (Annette Bening)sich mit einem Berufskollegen in Motels vergnügt, projiziert er seine sexuellen Wunschvorstellungen auf die sich nach außen "verdorben" gebende Angela (Mena Suvari). Lester schmeißt seinen Job hin, kauft sich mit der Abfindung jenen schicken Sportwagen, den er schon immer haben wollte und läßt sich fortan auch zu Hause nicht mehr rumkommandieren. Er schließt Freundschaft mit Ricky,dem skurillen Sohn seines Nachbarn , der ein (Video-)Auge auf Jane geworfen hat und als Protest gegen seinen gewalttätigen Vater Colonel Fitts (Chris Cooper), einem Ex-Berufssoldaten und Neo-Nazi, mit Drogen handelt. Lester läßt die guten, alten "Gras"-Zeiten wiederaufleben, stählt mit Body-Building seinen Körper und wartet auf die Erfüllung seiner erotischen Träume. Als er sich schon am Ziel wähnt, gesteht Angela ihm ihre Jungfräulichkeit. Lester zieht sich zurück, meint mit dem Verzicht nun aber auch allen (gesellschaftlichen) Zwängen entkommen zu sein. Doch seine neue Freiheit kann er nicht lange genießen: nachdem er sich selbst als schwul geoutet hat, erschießt Fitts seinen Nachbarn, weil er glaubt, Lester habe mit Ricky ein Verhältnis. Ironie des Schicksals: auch Carolyn hatte sich gerade auf den Weg gemacht, um ihren Mann zu töten... Was sofort ins Auge fällt, ist die visuelle Kraft des Films. Von der Bühne hat Mendes ein sicheres Gespür für die Einteilung des Raumes und wie man die Protagonisten darin choreographiert mitgebracht. Und Oscar-Preisträger Conrad Hall ("Butch cassidy and the Sundance Kid"), einer der rennomiertesten Kameramänner Hollywoods findet dafür (Cinemascope-)Bilder, wie man sie brillanter schon lange nicht mehr im Kino sah. Sie ginden immer die Balance zwischen Statik und (langsamer) Bewegung, beobachten präzis und scheinen den Personen manchmal sogar in die Seele zu schauen, ohne daß sich der Blick als aufdringlich erweist. So gerät ist Rickys "Sucht", sich mit der Videokamera dem Leben (und der Liebe) zu nähern nicht zu einem voyeuristischen Ausschlachten "verbotener" Bilder, sondern zeugt nur von seiner grenzenlosen Einsamkeit. Und in der sind sie alle gefangen: Der Colonel, der die Zuneigung zu seinem Sohn nur mit militärischer Strenge und Prügel zeigen kann, seine Frau, die schon längst keine Kraft mehr zum Vermitteln hat, Carolyn, die in Sorge um ihr italienisches Designer-Sofa eine romantische Situation abrupt beendet, Lester, der als Aushilfe in einem Fast-Food-Restaurant mehr Kommunikation zu erfahren scheint, als am häuslichen Herd, Jane , die ihre Verwundbarkeit und Sehnsucht nach (elterlicher)Liebe hinter Mißmutigkeit versteckt und auch Angelas Lolita-haftes Verhalten ist nicht mehr als ein "Schrei" nach Zärtlichkeit.Natürlich gehört zu diesem eindringlich-intimen Inszenierungsstil auch ein Darsteller-Ensemble, daß die Vorgaben kongenial umsetzt. Und da sind Sam Mendes wahre Glüksgriffe gelungen. Kevin Spacey ist genau der Typ des "ordinary people", der wirkt, als habe man ihn direkt aus dem alltäglichen Leben hinaus vor die Kamera geholt. Annette Benings Hausfrauen-Hysterie überschreitet nie die Grenzen zur Karikatur, genauso schafft Chris Cooper seine vielleicht etwas zu "überladene" Rolle durch sein zurückgenommenes Spiel doch noch glaubwürdig zu gestalten. Und wie Thora Birch es schafft, ihre innere Schönheit letztlich über die äußere von Mena Suvari "siegen" zu lassen, daß zeugt schon von schauspielerischem Talent. Thomas Newman unterstützt dabei die Inszenierung mit innovativen Klanggebilden, die niemals die Bilder überlagern, sondern sie fast "unhörbar" akzentuieren. Nur Alan Balls Drehbuch hätte man noch etwas mehr Mut gewünscht: Aber eine den Geschlechtsverkehr vollziehende Minderjährige ist im prüden amerikanischen Film der 90er nicht mehr möglich, wie die Skandale um die letzte "Lolita"-Verfilmung - und die damit einhergehenden Kürzungen für die US-Version - bewiesen . So ist das einzige Blut, das fließt, daß aus dem Schädel von Lester. Und das reichlich. Aber vielleicht ist das auch ein letzter böser Seitenhieb auf den "american (medien-) way of life".

(Rolf-Ruediger Hamacher)

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