Die Musikindustrie ist ein merkwürdiges Geschäft. Denn während in jedem anderen Business der Geschäftsidee schnell die Strategien zum Geldverdienen folgen, arbeiten im Musikgeschäft Musiker und Labelmacher oft jahrelang für einen Hungerlohn. Trotzdem wird die interessante Musik in der Regel ohne großen Kapitaleinsatz gemacht. So wie bei Denovali Records aus dem Niemandsland nahe Bochum. Seit 2005 veröffentlichen die beiden Labelmacher Musik, die den großen Genrespagat zwischen elektronischem und analogen Doom-Jazz und Rockmusik, zwischen pointierter Introspektion und lärmigen Gitarrenwänden problemlos meistert. Der einzige Maßstab ist dabei der eigene Geschmack und die Sympathie für die veröffentlichten Musiker. „Wir mögen keine Szenen, das sind zumeist Refugien von Intoleranten und Möchtegernelitären“, erklärt Timo, einer der beiden Labelmacher. „Bei uns ist jeder willkommen, der etwas mit der Musik anfangen kann.“ Und so rekrutieren sich Fans und Musiker von Denovali aus der ganzen Welt – das Internet macht‘s möglich. Nur zwei Bands kommen aus der direkten Nachbarschaft im Ruhrgebiet. Viele Releases von Denovali sind kostenlos im Netz verfügbar. Ruiniert man sich so nicht das Geschäft? „Für uns sind MP3s kein gleichwertiges ‚Produkt‘“, erklärt Timo. „Zudem haben wir ein Problem damit, wie im MP3-Handel die Einnahmen verteilt werden.“ Denn die neuen Vertriebskanäle sind auch für Indie-Labels selten profitabel. Von jeder verkauften Musikdatei im Itunes-Store beispielsweise behält Apple ca. 30 Prozent ein. Doch wer sich die Releases von Denovali nur als Datei organisiert, verpasst eh die Hälfte. Alle Tonträger sind in liebevoller Kleinstarbeit gestaltet, egal ob sie als volle LP, 10“ oder 7“ oder im Winzformat CD erscheinen. Verantwortlich dafür sind Denovali-Mitbetreiber Thomas oder Freunde der Bands - it‘s a family affair. Die passende Familienfeier hört auf den Namen „Swingfest“ und findet Mitte Oktober im Essener JZ Papestraße statt. Wie jede gute Party basiert sie auf einer simplen Idee: „Zum einen ist es nett, die unterschiedlichen Denovali-Künstler aus allen Teilen Europas und der Welt einmal im Jahr zusammenzubringen“, erzählt Timo. „Zum anderen wollen gängige Festivals unsere teils vielleicht schwer hörbaren Bands nicht haben. Also machen wir es – wie so oft – selbst.“ Eine gesunde DIY-Haltung, die sich im Line-Up widerspiegelt. Die Dortmunder Band Kodiak türmt ihre verzerrten Gitarren zu schwerfälligen Drones, während das japanische Trio Mouse on the Keys Klavierphrasen aus der Minimal Music zitiert, im Tempo erhöht und über ein wuchtiges Metalschlagzeug legt. Die Norweger von The Samuel Jackson 5 lassen ihre Gitarren als Jazz-Improvisation gegeneinander antreten und schaffen so wunderbar verspielte Melodiebögen. „Schwer hörbar“, diese Einschätzung mag nur teilen, wer die wochenendliche Indierock-Monokultur für das höchste der Gitarrengefühle hält. Für alle anderen ist das Swingfest eine Feier der Vielheit.
Denovali Swingfest: 9./10.10. im JZ Papestraße, Essen
www.denovali.com/swingfest
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Das Gesamtwerk pflegen
Haydn-Festival 2025 in Brühl – Musik 07/25
Bis das Regime gestürzt ist
Mina Richman bei den Stadtgartenkonzerten am Alten Zoll in Bonn – Musik 07/25
Für stille Momente
Das Even Flow Festival am Tanzbrunnen – Festival 06/25
Anruf der Legenden
JD McPherson im Luxor – Musik 05/25
Entgegen der Erwartung
4. stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen – Festival 04/25
Einstürzende Musikbrücken?
Die 15. Ausgabe von Acht Brücken könnte die letzte sein – Festival 04/25
Die Musikfestivals sprießen
Schon der Frühling ist Festivalzeit – Unterhaltungsmusik 04/25
Salz, Wind und Liebe
Anna B Savage im Bumann & Sohn – Musik 03/25
Altmeister und Jungspunde
Konzerte von und für alle Generationen – Unterhaltungsmusik 03/25
Ein bisschen schweben
Tunng im Gebäude 9 – Musik 02/25
Wärme, Nähe, Authentizität
Noah Derksen in den Hängenden Gärten von Ehrenfeld – Musik 02/25
Klavier statt Karneval
Ein Februar mit guter Musik – Unterhaltungsmusik 02/25
Im Kostüm der Sozialkritik
Oliver Anthony im Carlswerk Victoria – Musik 01/25
Nicht alle sind supersympathisch
(Kinder-)Geburtstags- und Weihnachtsfeiern on Stage – Unterhaltungsmusik 12/24
Befreiung durch Verwandlung
Laura Totenhagen im Stadtgarten – Musik 11/24
Zurück zur Straßenmusik
Dan & Dota in der Kantine – Musik 11/24
Noise, Rap und Migration
Zwischen Bühne und Buchdeckel – Unterhaltungsmusik 11/24
Endlich Wochenende
13. Week-End Fest im Stadtgarten – Musik 10/24
Psychedelische Universen
Mother‘s Cake im Helios 37 – Musik 10/24
Aggressive Dringlichkeit
Internationale Acts von Rock über Hip Hop bis Avantgarde – Unterhaltungsmusik 10/24
Eine Party für die Traurigen
Romie in der Maulvoll Weinbar – Musik 09/24
Heftiger Herbstauftakt
Nach Open Air wieder volles Programm in Clubs und Hallen – Unterhaltungsmusik 09/24
Kein Bock auf Sitzkonzert
Mdou Moctar im Gebäude 9 – Musik 08/24
Sommerloch? Nicht ganz ...
Volle Packung Drum‘n‘Bass, Indie, Tuareg-Blues und Black Metal – Unterhaltungsmusik 08/24
Fette Beats im Wohngebiet
Green Juice Festival 2024 in Bonn – Musik 07/24