Das Album löst sich im Internet immer mehr auf, sein 40- bis 60-Minuten-Format offenbart immer, dass es nur eine der damaligen Technik geschuldete Marke war. Stattdessen grassieren stundenlange Streams und Playlisten. Das Elektronik-Duo Autechre spielt diese Freiheit nun voll aus. Zwar veröffentlichen sie ihre „NTS-Sessions Vol 1 - 4“ noch als etwas, was man im herkömmlichen Sinn Album nennen könnte, aber die Ausmaße sind angetrieben vom Datenfluss in den Weiten des Internets: Über acht Stunden Musik, verteilt auf 36 Stücke zwischen 5 und 50 Minuten enthalten die vier Sessions, die zunächst gestreamt wurden, dann als Download verfügbar waren und nun als 8-CD- bzw. 12 LP-Box erscheinen. Die Musik, die komplett auf selbstgenerierten Sounds basiert, ist ruhiger als die kantigen, hyperaktiven Stücke der frühen 00er Jahre, aber immer noch widerspenstig genug, um nicht als Hintergrund-Ambient durchzugehen. Ein faszinierender Hybrid aus Nervosität und Kontemplation. Für die Fans, die das Duo als Musiker der Zukunft mit einer ähnlichen Ernsthaftigkeit vergöttern wie sonst nur Richard D. James alias Aphex Twin, sicher ein Heiliger Gral (Warp).
Was für eine freudige Überraschung! Über zehn Jahre ist es her, dass die Briten Pram ein Album veröffentlicht haben. Angefangen haben sie Ende der 80er Jahre mit einem ganz eigenen Sound. Mit „Across the Meridian“ reaktivieren sie ihren kindlich-zärtlichen Pop, der in dezenter Nähe zu Stereolab steht, auf dem neuen Album aber mehr denn je zwischen Jazz und Exotica taumelt (Domino). Glam-Folk-Krautrock-Electronik-Avantgarde? Das amerikanische Animal Collective konnte sich in den letzten 15 Jahren mit ihrem gewagten, aber äußerst faszinierenden Klangkosmos eine große Fangemeinde erspielen. Mit „Tangerine Reef“ erscheint anlässlich des Internationalen Jahres des Korallenriffs nun ihr elftes Album bzw. zweites audiovisuelles Album, das sie gemeinsam mit dem Videokunst-Duo Coral Morphologic realisiert haben. Der dazugehörige Film wird auf der Webseite der Band gestreamt. Musikalisch werden sie mit ihrem driftenden Psych-Sound der Ästhetik eines Korallenriffs sehr gerecht (Domino). Mitunter erinnern die Spanier Za! an das Animal Collective, liegen in ihrer schwindelerregenden, rhythmusbetonten Mixtur auf ihrem neuen Album „Pachinko Plex“ aber doch näher an Math-Core von den Battles und machen ebenso viel Spaß (Fun in the Church/Staatsakt).
Das Label Strut startet eine dreiteilige Serie zum Label Disques Debs International aus Guadeloupe, das die kreolische Musik der Karibikinsel – von Biguine und Bolero zu Zouk und Reggae – maßgeblich verbreitete. Volume One bringt 21 Stücke aus den Jahren 1960 bis 1972, die zum Teil sehr jazzig sind, mitunter aber schon eine Ahnung von Baile Funk vermitteln. Die Dur-Dur Band aus Somalia gründete sich Anfang der 80er Jahre und spielte einen Afro Funk, der einerseits die bekannte Linie von US-Funk mit Bläsersätzen und Percussion verfolgt, zum anderen aber mit einem Gesang begeistert, der durch die Nähe zum Nahen Osten schon arabische Anklänge hat. Ähnliches kennt man vom Funk aus Äthiopien, und genau dorthin verschlug es die Band Anfang der 90er Jahre, als Somalia im Bürgerkrieg versank. Die Compilation versammelt auf zwei CDs bzw. drei LPs 18 Stücke, darunter zwei unveröffentlichte. Ein zweiter Teil soll folgen (Analog Africa).
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