Die Arbeit bleibt nicht an der Wohnungstür zurück. Karl Marx spricht von der „verborgenen Stätte der Produktion“ und meint damit, dass hinter den betrieblichen Fassaden Konflikte zwischen Kapital und Arbeit ausgetragen werden, von denen maximal Bruchteile in einem Kompromiss münden. Das „partnerschaftliche“ Gegenstück zu dieser Stätte ist im Privaten angesiedelt, wo es als Familie, romantische Zweierbeziehung oder als Zuhause erlebt und überhöht wird.
Zu Hause angekommen oder vom Arbeitszimmer in die Küche oder das Schlafgemach getreten, merkt man aber sehr schnell, dass hier die Konflikte unter dem Vorzeichen des „Privaten“ weitergehen. Es ist dies die „verborgene Stätte der Reproduktion“, und die Kämpfe, die dort zwischen den Paaren, den Geschlechtern und Kindern ausgetragen werden, sind noch schlüpfriger organisiert. Man denkt sie als Beziehungsprobleme zwischen Individuen ohne gesellschaftlichen Bezugsrahmen, ganz so, als müssten nur ein paar Charaktereigenschaften verschoben werden – sei es mittels Paartherapeut oder sei es mittels freundschaftlicher Beratschlagung –, um das Familienglück herzustellen oder aufrechtzuerhalten. Und es scheint so, als wäre der „Bereich der Liebe“ zum vorherrschenden Kampfplatz der Veränderungswünsche geworden, und vielleicht gerade deshalb, weil die Arbeitsverhältnisse und die Gesellschaft als zunehmend unveränderlich wahrgenommen werden: Wenigstens im Kleinen will man es richten oder richtigstellen, wenn schon nicht im Großen und Ganzen. Kinder werden so zur Investition in „Lebensqualität“, sie sollen Bewegung in eine statisch gewordene Beziehung bringen. Ob die Eltern dieser Kinder nun verheiratet sind oder nicht, ist dabei nicht entscheidend. Deregulierte Arbeitsverhältnisse und Globalisierung, die Flucht des Kapitals in die Finanzialisierung – all das geriete ins Wanken, wenn an den Stahlträgern der unbezahlten Reproduktions- und Sorgearbeit gerüttelt wird, die weltweit von Frauen geleistet wird. Bislang ist es so, dass die Frauenbewegungen zwar den Geburtenstreik, die Bestreikung der Sorgearbeit oder die Professionalisierung der Hausarbeit angetrieben haben. Aber die dadurch verschärften Beziehungskonflikte werden weiterhin selbst gewählt, gleichzeitig jedoch auch mittels Staat und Tradition unter der Dunstglocke des Privaten gehalten, das mal mit, mal ohne Trauschein daherkommt. Heiße Luft am Siedepunkt, die jedem Paar, jeder Familie das „Atmen“ erschwert – mit dem Endpunkt Partnerwechsel. Was aber hier als Verhältnis zwischen Du und Ich verhandelt wird, die Beziehungen bis ins innerste Seelenheil zerrüttet, sucht nach einer gesellschaftlichen Ebene der Verhandlung und bewussten Veränderung, die nicht nur das Familienmodell übersteigt: nach einem Glück, das nicht privat bleibt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wilde Ehen
Wahljahr 2013: die Familie im Fokus – THEMA 01/13 EHE-LOS
„Regenbogenfamilien sind keine Exoten“
Bei Schwulen und Lesben gibt es einen Trend zur Ehe, sagt Renate Rampf – Thema 01/13 Ehe-Los
Familie mit Negativbescheinigung
Wie ein Paar mit Wohnsitz in Rhein- und England den Alltag mit Kind bestreitet – Thema 01/13 Ehe-Los
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Es sind bloß Spiele
Teil 1: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 1: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Werben fürs Sterben
Teil 2: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 2: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Das Spiel mit der Metapher
Teil 3: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 3: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Wie gewohnt
Intro – Europa
Demokratischer Bettvorleger
Teil 1: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 1: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europäische Verheißung
Teil 2: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 2: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 3: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 3: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte