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„Die sieben Gehenkten“
Foto: © Gerhard Richter

Der gestreckte Tod

25. September 2021

„Die sieben Gehenkten“ in der Lutherkirche – Bühne 09/21

Der Tod durch Erhängen nimmt sich Zeit. Während nach Untersuchungen der sogenannte „Kurze Fall“, bei dem der Delinquent von einem Karren oder einem Pferd gestoßen wurde, die Verengung der Blutgefäße nach fünf bis zehn Sekunden zur Bewusstlosigkeit führte, erfolgt beim „Langen Fall“, bei dem die Länge des Seils an die Körpergröße und das Gewicht der Person angepasst wurde, ein sofortiger Genickbruch.

In der Inszenierung „Die sieben Gehenkten“ nach einer Kurzgeschichte von Leonid Andrejew, streckt sich der Tod jedoch auf nahezu eine Stunde. Die Koproduktion des Ensemble Spiegelberg und LTK4 – Klangbasierte Künste führte dabei Lebende und Gestorbene auf fünf Ebenen des Lutherturms zusammen. Nur jeweils ein Publikumsgast gelangte im Zuge der rund dreiwöchigen kostenlosen Aufführungen in den Lebensuntergang von sieben zum Tode verurteilten Menschen. Maximal sieben Vorstellungen wurden dabei pro Tag gespielt.

„Stufe um Stufe einem betörenden Finale im Glockenturm entgegen“


„Die sieben Gehenkten“; Foto: © Gerhard Richter

Das multimediale Werk mit Jean Paul Baeck, Doris Plenert, Katrin Mattila, Marlene Meissner, Anna-Lea Weiand, Jonas Baeck und Manon Lacoste knüpfte jenen Strick mit sanften Händen. Vom Aufbruch im Atrium der sakralen Stätte, begleitet vom schwingenden Pendel einer tickenden Uhr, begab sich der Besucher Stufe um Stufe einem betörenden Finale im Glockenturm entgegen.

Unterwegs: Stationen der Selbstreflektion, Rendezvous mit Verurteilten und ein Labyrinth von lyrisch-philosophischen Impressionen über Sein und Schein. Angst, Euphorie, Zweifel, aber auch Frieden legten sich dabei Schritt für Schritt wie ein kaum spürbares weißes Tuch um den Wanderer auf seinem Weg zu Schuld und/oder Vergebung. Als steter Begleiter durch diese entrückte Stätte ein Gedanke: „Das Ende schmerzt nicht ewig. Niemand fällt bei dieser Prüfung durch. Streng dich nicht so grausam an. Leben und Nichtleben – lass es zu.“

So verwundert es nicht, dass im ausgelegten Gästebuch der Eindruck einer spirituellen Reise vermittelt wurde, die in Bezug auf das gestörte Liebesverhältnis zwischen Leben und Tod zu heilen vermochte. Eine Fortsetzung dieses einzigartigen Trips durch Zeit und Verstand wäre wünschenswert. 

Thomas Dahl

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