Die Bühne für eine ganze Stadt ist lediglich ein Saal, ziemlich übersät und auf den ersten Blick undurchsichtig. Florenz wird hier gefeiert, die immer noch größte Metropole der Toskana, aber längst nicht mehr der Nabel der Welt. Leonardo da Vinci und Michelangelo fallen einem ein, auch die Medici und die großartige Kunst, die sich von hier aus unaufhaltsam ihren Weg in die Gesellschaft bahnte. Mehr als 350 Werke aus 600 Jahren Kulturgeschichte werden ausgestellt. Eines dieser Werke ist sogar noch älter: Die römische Büste der Agrippina aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Lorenzo de´ Medici war ein großer Kunstsammler, kaufte gern auch aus Raubgrabungen im antiken Rom und stellte die Beutestücke dann im Garten aus. Er selbst kommt in der Ausstellung „Florenz!“ als bemalte Terrakotta-Büste eines unbekannten Florentiner Künstlers vor, welche lange Zeit umstritten und unrestauriert blieb. Viel eindrucksvoller ist da schon Lorenzos Original-Verschlüsselungscode von 1470 für Geheimkorrespondenzen.
Doch alles der Reihe nach. Wer kann, sollte viel Zeit mitbringen, auch für den interessanten 3D-Film. Es beginnt mit dem großformatigen, berühmten Gemälde von Domenico di Michelino:„Die Allegorie derGöttlichen Komödie“(1465). Der Meister Dante steht vor einer Stadtansicht von Florenz und hält die „Göttliche Komödie“ in der linken Hand. Mit der anderen Hand zeigt er auf die Sündern, die zur Hölle pilgern. Gleich danach sieht man die Ursachen des Übels, ein paar Silberfloriner.
Der anschließende Rundgang umfasst fünf große Sektionen mit chronologischem Aufbau, jede Epoche wird mit Plänen und Ansichten belegt. Auch soll eine Bewegung durch die Metropole nachvollzogen werden. Die Stadtentwicklung ist der eigentliche rote Faden der Ausstellung, die neben den berühmten Meisterwerken Boticellis auch viel Architekturgeschichte zeigt. Was in so einer Halle immer wieder begeistert, ist die Aura des Originals und da können auch kleine zeichnerische Arbeiten von Leonardo da Vinci oder Michelangelo Buonarroti mithalten. Es ist ein Genuss, die Feder- oder Kohlezeichnungen zu betrachten und sich vorzustellen, wie die Genies damals über dem Papier gehockt haben, um entweder das Schema eines Arno-Kanals (1503) zu entwerfen, die Medici Gräber in der neuen Sakristei zu planen (1520) oder auch zu sehen, wie Giovanni Mannozzi im 17. Jahrhundert die Frontansicht des Palazzo dell'Antella ausgepinselt hat. Die Renaissance im Zentrum der Schau gehörte zweifelsfrei den Medici. Von Cosimo (1389-1464) ist eine Halbbüste ausgestellt, die aus der Werkstatt des Antonio Rosselino stammt und um 1460 entstanden ist. Drei Jahrzehnte lang hatte der schwerreiche Bankier da die Geschicke der Handelsmetropole bestimmt, seine strengen Züge zeigen ein typisches Alphamännchen auf dem Höhepunkt der Macht.
Den Rundgang beschließt das kosmopolitische Florenz, das im 19. Jahrhundert zur Pflichtdestination der Aristokratie wurde. In den Palazzi häufen sich immer noch Kunstschätze, darunter eine japanische „Haramaki-Rüstung“ aus der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts (Muromachi-Ära) oder aus derselben Zeit, ein ottomanischer Helm aus Istanbul. Gesammelt hatte Frederick Stibbert, dessen Vermögen sein Vater angesammelt hatte und ihn in die Lage versetzte es auszugeben. Cosimo de´ Medici hätte da kein Verständnis für gehabt.
Florenz! | Bis 9. März | Bundeskunsthalle Bonn | www.bundeskunsthalle.de
Cinema alla Fiorentina: Als Rahmenprogramm zeigt das Kino in der Bundeskunsthalle vier Dramen und Thriller mit dem Schauplatz Florenz: „Portrait of a Lady“ (Mi. 5.2. 19 Uhr, OmU), „Schwarzer Engel“ (Mi. 12.2. 19 Uhr), „The Stendhal Syndrome“ (Mi. 19.2. um 19 Uhr, engl. OV) und „Hannibal“ (Mi. 26.2. um 19 Uhr).
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