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Hat einen drei-Module-Plan um die Situation der Performing Arts zu verbessern, Dieter Buroch
Foto: Jörg Baumann

„Die Bedeutung der Künstler für unsere Städte aufzeigen“

19. Juli 2011

Tag 1 nach der Tanz-Konferenz: Ein Interview mit dem Intendanten des Mousonturm Frankfurt – Tanz in NRW 07/11

Zur ersten Kölner Tanzkonferenz waren auch auswärtige Experten eingeladen. Sie sollten der Kölner Runde mit ihrem Expertenwissen zur Seite stehen und einen fachlich-kritischen Blick von außen auf die verfahrene Lage in Köln und den neuen, von der freien Tanzszene vorgelegten Tanz-Entwicklungsplan, richten. Einer der eingeladenen Experten war Dieter Buroch, Intendant des Künstlerhauses Mousonturm Frankfurt, Gründer der Tanzoffensive RheinMain und Gründer des neuen Tanzensembles Kidd Pivot Frankfurt RM. Nach der Tanz-Konferenz führte Klaus Keil ein Gespräch mit ihm.

choices: Herr Buroch, Sie sind als externer Experte zu der Tanzkonferenz Köln eingeladen worden. Mit welchen Erwartungen sind Sie gekommen? Dieter Buroch:
Ich hatte keine Erwartungen, hoffe nur, dass ich ein bisschen dazu beitragen konnte, dass die Diskussion praxisorientiert und auch mit dem externen Blick weitergeführt wird. Das Problem hier sehe ich auch nicht als ein Problem der Künstlerszene, sondern es ist ein kulturpolitisches Problem. Mich hat das sehr gefreut, dass aus dem Kollegenkreis ein Konzept entwickelt wurde, dass mittelfristig gedacht ist – so wie ich mir eigentlich Kulturpolitik vorstelle.

Das heißt, der Tanz-Entwicklungsplan der freien Tanzszene ist zukunftsfähig?
Ich dachte immer, als ich noch sehr jung war, Kulturpolitik sei Zukunftsforschung: man überlegt heute, wo wollen wir in fünf, zehn oder zwanzig Jahren stehen und welche Entscheidungen muss ich treffen, heute, um dieses Ziel zu erreichen. So hatte ich mir Kulturpolitik vorgestellt. Ein bissel erinnert mich dieser Tanz-Entwicklungsplan, dass man mit diesen Schritten auch hier vorgegangen ist. Man hat sich ein Ziel gesetzt, hat nicht genau den Zeitpunkt gesagt, aber die einzelnen Schritte beschrieben. Und das finde ich sehr vielversprechend als jemand, der diese Szene, die häufig nur rumdiskutiert, kennt.

Welche Erfahrungen konnten Sie als langjähriger Intendant des Künstlerhauses Mousonturm in die Diskussion der Tanz-Konferenz einbringen?
Einmal, dass man sein Problem selbst anpacken muss. Zum Beispiel habe ich ja die Tanzoffensive Frankfurt RheinMain gegründet aus einem rein kulturpolitischen Problem heraus. Nicht aus einem Mouson-Problem heraus, sondern weil ich gesehen habe, wie die Tanzszene in meiner Stadt doch immer mehr ausgedünnt wurde, das Ballett wurde geschlossen, die Jahrhunderthalle privatisiert, das TAT (Theater am Turm, Frankfurt, 2004 geschlossen, Anm. d. Red.) geschlossen. Also habe ich gefragt, was braucht Tanz? Tanz braucht eigentlich drei Module, die wir auch aufgebaut haben. Erstens Ausbildung und Vermittlung. Wir haben im Rahmen von Tanzlabor 21 dann zwei Studiengänge neu eingerichtet, wir bieten ein ständiges Profi-Training an. Also alles, was mit Ausbildung zu tun hat. Aber auch, wie können wir unser Publikum für den Tanz mit Kenntnissen versorgen, also welche Vermittlungsmöglichkeiten haben wir. Das zweite Standbein – ganz vereinfacht – ist der Import. Ich will, dass in meiner Stadt Gastspiele stattfinden, damit die Menschen sehen, was wird international im Tanz gedacht. Das findet nach meiner Einschätzung derzeit in Köln hervorragend im Schauspiel statt, also ein Modul ist da schon abgedeckt. Aber das dritte Modul – auch vereinfacht gesagt – ist für mich der Export, wie können wir darstellen, dass in unserer Stadt auch Kunst produziert wird, auf hohem, internationalem Niveau. Und da hab ich die Compagnie Kidd Pivot Frankfurt aufgebaut, das ist ein finanziell durchaus verträgliches Modell, es haut keine Stadt um, wenn man sieht, was sonst in Baumaßnahmen reingesteckt wird. Aber es ist auch ein sehr qualitätsorientiertes Modell, weil mein Problem ist, das kam in der Diskussion vorhin nicht so richtig raus: In Deutschland ist freies Theater nie qualitativ definiert worden, also unter freiem Theater kann sich jeder, der grad mal so rumsteht, mit einstellen. Da muss eigentlich mal eine Definition gefunden werden und da sollte man auch mal ins Ausland blicken. Warum passiert in Belgien so großartiges Tanztheater mit ganz wenig Geld und anderen Strukturen? Ich hoffe so ein bisschen, dass man in Köln da so ein paar Impulse aufnimmt. Also wie ist C de la B und Platel (Tanzkollektiv „Les ballet C de la B“, Gent/Belgien, 1986 von Alain Platel gegründet, Anm. d. Red.) entstanden, mit seinen ganzen Ausläufern. Die haben sich ja multipliziert, diese Kreativität multipliziert, das sind so Schritte, da würde ich hier dran arbeiten, dass man da hinkommt.

Wie haben Sie es denn geschafft, die Politik in Frankfurt von Ihrem Konzept der „Tanzoffensive Frankfurt RheinMain“ zu überzeugen. Hier in Köln hapert es ja daran, dass die Kulturpolitik bislang eher nicht willens war, den Tanz angemessen zu fördern.

Ich muss gestehen, diese Tanzoffensive Frankfurt RheinMain, die sehr, sehr erfolgreich ist, ist auch nicht von der Politik gestützt. Wir haben das Riesenglück gehabt, dass sich der Kulturfond Frankfurt RheinMain gegründet hat, der mit städtischen und Landesmitteln plötzlich sechs Millionen Euro zusätzlich in die Kultur investieren konnte. Ich habe sehr früh Anträge gestellt, verschiedene Formate gesucht und dafür sehr viel Geld erhalten. Für diese Tanzoffensive, die für Frankfurt selbst ein großer Vorteil ist, hat die Kulturpolitik in Person von Kulturdezernent oder Kulturamt relativ wenig beigetragen.

Aber nicht überall und schon gar nicht in Köln steht derzeit ein ähnlicher Kulturfond zu Verfügung. Wie also die Politik in Köln überzeugen?

Da kann ich kein Rezept nennen, wie man die Politik überzeugen kann. Man kann sie eigentlich nur dadurch überzeugen, dass man sie nicht unter Druck setzt, aber ihr schon signalisiert: Wenn ihr euch nicht mit zeitgenössischer Kunst wirklich ernsthaft auseinander setzt, mit der Internationalität und mit diesem unglaublichen Wandel in den künstlerischen Darstellungsformen, dann habt ihr überhaupt keine Chance wieder gewählt zu werden, weil, dann seid ihr so weit draußen, dass es eigentlich keinen mehr interessiert, was ihr wollt. Ich glaube, wir müssen die Bedeutung der Künstler in unseren Städten mehr herausarbeiten, sie nicht als Subventionsnehmer behandeln, sondern als ein ganz wichtiges kreatives Gut. Wir haben in Köln und Frankfurt künstlerische Hochschulen, wir müssen die Künstler in der Stadt halten, wir brauchen deren Kreativität und Innovationskraft. Daran muss man arbeiten – und das ist kein großer Aufwand. Da muss es nicht gleich immer ein Tanzhaus sein, aber es müssen zum Beispiel Probemöglichkeiten, Produktionsbedingungen da sein und kleine Aufführungsmöglichkeiten. Ich glaube, dass dieses Bewusstsein, dass Künstler einen Wert für eine Stadt darstellen, dass wir darum kämpfen müssen, dass sie in unserer Stadt bleiben und nicht alle nach Berlin gehen, weil da die Wohnungen billiger sind, ich glaube, dass das auch einen Anreiz gibt, sich mehr für diese Szene einzusetzen.

Wo sehen Sie bei der Umsetzung des Tanz-Entwicklungsplans Köln die größten Probleme?
Das ist das Tanzhaus. Ich glaube dass man im Moment in Köln große Probleme mit dem Titel Tanzhaus hat, aber man kann ja jetzt nicht sagen „Wurstbude“ ...

… im Konzept ist jetzt von einem „Zentrum für Tanz und Performing Arts“ die Rede ...
… aber das wird ja sofort durchschaut. Und da ist auch die Vergangenheit, die Auseinandersetzungen darum, die ein bissel im Weg stehen. Es ist ja auch der finanziell größte Brocken und die Gefahr besteht, dass das Totschlag-Argument „Die drei Millionen fürs Tanzhaus haben wir nicht“, auch alle anderen Module zerstört. Das finde ich ein bissel haarig daran, weil es sind ja viele schöne Ideen drin. Die Netzwerk-Vorschläge etwa sind ja mit ganz wenig Geld zu machen. Gute Kunst zu machen ist ja nicht nur eine finanzielle Frage. Ich gehe immer davon aus, dass ein guter Künstler seine Kunst immer machen wird, ob er Unterstützung kriegt oder nicht. Und diese Arroganz der Geldgeber, die immer sagen, ohne uns wärt ihr gar nichts, ist einfach so was von überheblich. Man sieht es ja auch: Ein Künstler, der für eine Idee brennt, der wird sein Ding machen, da kann sich die Politik aufblasen wie sie will.

Klaus Keil

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