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Die Zukunft im Visier: Tobias Mann als Digital Dummy
Foto: Pantheon

Der Tod steht ihm gut

31. Oktober 2013

Der Sensenmann setzt seine Image-Kampagne fort – Komikzentrum 11/13

Die Gedanken, die Tobias Mann durch den Kopf schießen, richten kein Unheil an, sondern treffen – natürlich – ins Schwarze. Ganz im Gegensatz zu Ernest Hemingway, der sich eine Kugel durch den Kopf geschossen hat. Das Zerebrum des Mainzer Allround-Talents, das die Mauer zwischen Comedy und Kabarett längst eingerissen hat, ist jedenfalls gut damit beschäftigt, seine Umwelt zu beobachten und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Keine Frage, das Internet hat sein Aufgabenfeld beträchtlich erweitert. Er selbst bezeichnet sich als Digital Dummy, als ziemlich unbegabten Seiltänzer zwischen alter und neuer Welt. Trotzdem traut er sich einiges: zum Beispiel den Untergang des Abendlandes vorauszusagen, allerdings ohne ein konkretes Datum nennen zu können. Das ist auch gut so, denn vorher gibt es noch einiges für ihn zu tun: Erst mal muss er im Bonner Pantheon auftreten (am 1. und am 25.11. beim Kabarettfest als Moderator), am 7.11. zeigt er im Porzer Kulturgut Eltzhof sein neues Programm „Verrückt in die Zukunft“, und am 14.11. ist er bei den „Mitternachtsspitzen“ des WDR im Alten Wartesaal zu Gast.

Ebenfalls im Vorfeld der Apokalypse gibt sich Der Tod persönlich die Ehre: „Death Comedy“ nennt der Kapuzenmann mit der Sense-to-go sein Soloprogramm „Mein Leben als Tod“, mit dem er am 10.11. im Casino des Pantheon seine Image-Kampagne fortsetzt. Zugegeben, sein Ruf ist nicht der Beste – zu Unrecht, möchte man angesichts des mit hellem Stimmchen um mehr Ansehen buhlenden Gevatters hinzufügen. Tatsächlich ist er gar nicht so schlimm, hat immer Konfetti und Radieschen in der Kuttentasche, ist höflich, klopft an, bevor er die Tür öffnet, und macht manchem Leid ein schnelles Ende.

Auch eine Tragödie kann ein Happy End haben, vorausgesetzt Jonas Anderhub und Christof Wolfisberg schreiben die Texte. „Unferti“ – ja, das „g“ am Ende fehlt – ist das dritte Programm des Duos Ohne Rolf, das mit der schriftlichen Kommunikation via Plakaten (in der Comedia am 13. und 14.11.) verblüffende Effekte erzielt: Es rührt an und fordert absolute Konzentration auf das geschriebene Wort. Hinzu kommt die philosophisch unterfütterte Ebene, auf der sich die Frage nach der eigenen Identität stellt und die nach einer höheren Instanz – in der Person eines Autors, der schließlich mit Klebeband gefesselt und gemeuchelt wird. Ein fintenreiches Spiel voller sprachlicher Finessen.

Als Genre-Zwitter lässt sich auch „Heute Abend: Lola Blau“ verorten.

Das „autobiographische Musical für eine Schauspielerin“ des 2011 verstorbenen Autors, Komponisten und Chansonniers Georg Kreisler wird in der Inszenierung von Jörg Fürst (atonal-theater) zu einer theatralischen Odyssee, die sowohl Elemente von Kleinkunst, Musik und Drama enthält (am 9., 14., 15., 16., 21., 22. und 23.11. im Klüngelpütz-Theater). Kreislers Regieanweisung lautet „Was die Figur der Lola betrifft, so sollte deren Darstellerin auf keinen Fall versuchen, eine Jüdin zu spielen“. Das beherzigen Fürst und seine Protagonistin Marina Barth denn auch. Wobei die historischen Bezüge durch Videoeinspielungen (Valerij Lisac) deutlich werden: sei es in Original Aufnahmen von Goebbels-Reden oder dem Einmarsch der Deutschen in Österreich 1938. Seine Überzeugungskraft bezieht das Stück freilich durch die Songtexte, mit denen Barth die Wiener Schauspielerin Lola Blau als arglose Person umreißt.

Lieder wie das von den Männern, die die Wahrheit nicht vertragen, oder das von dem herrlichen Weib, das weder kochen noch lesen kann, intoniert Barth, begleitet von Joachim Jezewski bzw. Harald Rutar am Klavier, mit der ganzen Unbefangenheit eines unpolitischen Menschen, der erst nach seiner Flucht aus Nazi-Österreich zu begreifen beginnt, was um ihn herum vorgeht. In den USA angekommen wird aus dem herzigen Wiener Mädel eine tragikomische Figur im schrägen amerikanischen Dirndl (Kostüm: Monika Odenthal). Ein bewegendes Stück Zeitgeschichte – gleichzeitig zum Lachen und Weinen und damit passend zum traurigen Monat November – meint zumindest die Ihnen stets ergebene

ANNE NÜME

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