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Der Ansturm
Foto: Mira Moroz

Der doppelte Normalzustand

26. September 2013

Die Kölner Hochschulen und der zweifache Abijahrgang – THEMA 10/13 ARME MATER

Über keine bildungspolitische Maßnahme der letzten Jahre wurde so heftig gestritten wie über die Kürzung der Gymnasialzeit auf acht Schuljahre. Besorgte Eltern warnten vor einer Überforderung ihrer Kinder, Studierendenvertreter prophezeiten überfüllte Hörsäle und überforderte Hochschulen. Aber jetzt, da aus den Abiturienten des doppelten Jahrgangs auf einmal Esis werden, scheint die Katastrophe ausgeblieben zu sein. „In Nordrhein-Westfalen stehen im Wintersemester ausreichend Studienanfängerplätze zur Verfügung“, verkündet Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Und auch die Unis geben Entwarnung. „Jeder kann in diesem Semester studieren gehen, der studieren will“, meint Patrick Honecker von der Uni Köln und fügt hinzu: „Nur es muss nicht unbedingt in Köln sein.“ Die Universität zu Köln nehme generell viele Studierende auf, für die kommenden doppelten Jahrgänge habe man über 1.000 zusätzliche Stellen geschaffen und werde bis 2015 noch 17.000 zusätzliche Quadratmeter an Unterrichts- oder Bibliotheksfläche bereitstellen.

Auch die FH Köln mit ihren 4.500 Erstsemester-Studienplätzen hat 47 Professuren vorgezogen besetzt geschaffen, gleichzeitig wurde ein umfangreiches Mentoring- und Tutorenprogramm aufgelegt. „Wir sind eine sehr, sehr große Hochschule“, erklärt Sybille Fuhrmann von der FH Köln. „Mit dem Programm wollen wir die Studierenden länger begleiten und bei Alltagsfragen beraten.“ Auch die FH hat zusätzliche Räume angemietet, in die sie die Verwaltung ausgelagert hat, um mehr Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen. Wie hoch genau der Zuwachs bei den Erstsemestern sein würde, konnte Fuhrmann Anfang September allerdings noch nicht sagen: „Die Verfahren laufen noch. Aber Köln ist ein attraktiver Standort.“

„Ein attraktiver Standort“, das hört man häufiger, wenn man über die Kölner Hochschulen redet. Wobei diese Attraktivität ihre Schattenseiten hat. Besonders bemerkbar macht sich das auf dem Wohnungsmarkt für Studierende. Gerade kleine Wohnungen sind überdurchschnittlich teuer – selbst wenn man die eh schon hohen Quadratmeterpreise Kölns zum Vergleich heranzieht. Noch dazu sind sie hoch umkämpft. „Ich freue mich, dass ich innerhalb des Gürtels wohnen kann“, erzählt Erstsemester Markus von seiner Wohnungssuche, die auf der Zülpicher Straße geendet ist. Zur Wohnung und ihrer unmittelbaren Umgebung selbst fällt ihm nur wenig Schmeichelhaftes ein.

Wobei in Köln nicht nur eine Wohnung, sondern auch ein Studienplatz schwer zu bekommen ist. Konnte man im Sommer 2013 noch mit einem Abischnitt von 1,8 ein Jurastudium beginnen, ist dafür dieses Semester schon ein Schnitt von 1,3 erforderlich. Für diesen Anstieg ist jedoch nicht der doppelte Abiturjahrgang verantwortlich. Schon im Wintersemester 2012 lag der NC bei 1,3 – die Nachfrage nach Studienplätzen ist im Herbst einfach höher als im Frühjahr. „Wir hatten bislang immer sehr hohe NCs, weil wir immer eine sehr hohe Nachfrage nach bestimmten Fächern hatten“, erzählt Patrick Honecker von der Universität zu Köln. „Das hat sich nicht großartig verändert.“

Trotz dieser Widrigkeiten ist das Studium jedoch weiterhin die erste Wahl für Abiturienten. „Für uns ist es eher enttäuschend gelaufen“, bekennt Alexander Uhr, bei der IHK Köln für die Aus- und Weiterbildung zuständig. Man habe erwartet, dass der doppelte Abiturjahrgang zu einer erhöhten Nachfrage nach Ausbildungsplätzen oder dualen Studiengängen führen würde. „Das ist nicht eingetreten.“ Stattdessen seien auch im September, nach Beginn des Schuljahres, noch einige Ausbildungsplätze zu besetzen, gerade in kaufmännischen oder IT-Berufen, die traditionell für Gymnasiasten attraktiv seien. Über die Gründe kann Uhr nur mutmaßen.„Ich könnte mir vorstellen, dass auf die Leute eingewirkt wurde, lieber ein Soziales Jahr oder so etwas zu machen.“

Wobei „Soziales Jahr“ vielleicht der falsche Ausdruck ist. Ein Teil der Abiturienten fragt bewusst nach kurzfristigen Freiwilligendiensten mit einer Länge von drei bis sechs Monaten. Soziales Engagement macht sich gut, aber mehr als ein Semester will man dafür wohl doch nicht einplanen. Verurteilenswert ist das nicht -- schließlich bringt einen genau dieser Pragmatismus auch einigermaßen sicher durch 13 bzw. zwölf Schuljahre. Aber vielleicht bleibt der Druck auch einfach unsichtbar, wie z. B. die Landesschülerinnenvertretung meint. Denn auf die Noten hat sich die Verkürzung der Schulzeit auf jeden Fall nicht negativ ausgewirkt. Im Doppeljahrgang 2013 erzielten die G8-Schüler eine durchschnittliche Abiturnote von 2,41; diejenigen, die ihr Abitur erst nach neun Jahren Gymnasium machten, hatten eine Durchschnittsnote von 2,44 (Vorjahr 2,5). An Gesamtschulen, die bislang nur das Abitur nach neun Jahren anbieten, liegt der Durchschnitt bei 2,73. Schulministerin Sylvia Löhrmann zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Damit haben sich unsere Erwartungen erfüllt.“

„Erwartungen erfüllt“ – dann ist alles bestens? Wobei die Erwartungen vielleicht nicht hoch sind. Denn auch wenn sich die Lage an den Hochschulen aufgrund der doppelten Abijahrgänge nicht sonderlich verschlechtert hat, will niemand von einer Verbesserung reden – z. B. was die Überbelegung der Studiengänge im bevölkerungsreichsten Bundesland betrifft. Was für das Wissenschaftsministerium eine „Übererfüllung“ der „Erfolgsquote“ ist, ist für Studierendenvertreter lediglich Ausdruck der „Unterfinanzierung“ der Hochschulen. Zwar wurden durch den Hochschulpakt II zwischen 2013 und 2015 alleine an den Kölner Hochschulen 9.200 zusätzliche Plätze für Studienanfänger geschaffen. Aber schon 2012 lag die Aufnahmequote für Studienanfänger bei 122,5%. Konkret: Anstatt dass sich die Dozenten eines Fachs um 100 Erstsemester kümmern, wie es der Stellenplan vorsehen würde, kümmern sie sich um 123. Vielleicht ist dies das größte Problem am doppelten Abiturjahrgang: Ein Status Quo, der nicht besonders wünschenswert ist, ist zur neuen Normalität geworden.

MATTHIAS ROTGENBURG

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