Freitag, 23. Oktober: Ein rundes Jubiläum können die Organisatoren des Festivals für Filmschnitt und Montagekunst dieses Jahr in Köln feiern, denn zum nunmehr 20. Mal werden am Ende des viertägigen Festivals die Schnittpreise verliehen. Neu ist im Jahr 2020 der Titel des Festivals, der von Film+ in Edimotion geändert wurde. Ebenfalls neu ist Corona-bedingt die Ausrichtung des Festivals, das entzerrt werden musste, um allzu große Menschenansammlungen zu vermeiden und regelmäßig die Räume lüften zu können. Deswegen hat man sich für eine hybride Form entschieden, bei der neben Präsenzveranstaltungen in den Kinos Filmforum und OFF Broadway auch Veranstaltungen exklusiv online auf der Plattform www.edimotion.de angeboten werden. Edimotion-Geschäftsführerin Jenny Krüger erläuterte, dass auch jeweils am Folgetag einer Vor-Ort-Veranstaltung diese als Mitschnitt auf der Website abrufbar sei, was dem Festival sicherlich einige neue Interessenten bescheren dürfte, die bislang den Weg nach Köln gescheut hatten. Dietmar Kraus, zuständig für die Sektion Spielfilm und Internationales, freute sich in diesem Zusammenhang insbesondere, dass das Internationale Panel zum Dokumentarfilm „Welcome to Chechnya“ auch exklusiv online stattfindet und man sich auf diese Weise mit vier Gastexperten aus den USA austauschen könne.
Ausbildung im DEFA-Dokumentarfilmstudio
Traditionell war der Eröffnungsabend aber wieder der diesjährigen „Ehrenpreisträgerin Schnitt“ gewidmet. Karin Schöning wird den Preis am Montagabend zusammen mit den Preisträgern aus den drei Wettbewerbssektionen im Filmforum entgegennehmen dürfen. Werner Busch, der Kurator des Edimotion-Segments Hommage, erläuterte bei der Einführung, dass die in der DDR als „Schnittmeisterin“ bezeichnete Schöning ihr Handwerk im DEFA-Dokumentarfilmstudio erlernt und im Anschluss rund 50 Dokumentarfilme und etliche Kurzdokus und Reportagen in der Montage gestaltet habe. Die Laudatio auf die Ehrenpreisträgerin hielt der Regisseur Gerd Kroske, mit dem Schöning rund ein Dutzendmal zusammengearbeitet hatte. Der Filmemacher merkte an, dass „es Zeit wird, dass Karin Schöning ein Preis überreicht wird. Es trifft hier die Richtige, die Auszeichnung für sie ist sehr verdient!“ 1985 hatte er sie bei seinem Praktikum im DEFA-Dokumentarfilmstudio kennengelernt, was schließlich zu einer dreißigjährigen Zusammenarbeit und einer freundschaftlich-künstlerischen Verbindung geführt habe. Kroske lobte in seiner Laudatio Schönings „Grandezza ihres Montagestils, der nichts Aufgezwungenes“ habe, der „filigran und dezent“ sei und zur Ruhe fände, wo diese vonnöten sei. Im Anschluss an Gerd Kroskes Laudatio gelangte im Filmforum die digital restaurierte Fassung des im Jahr 2000 fertiggestellten Films „Der Boxprinz“ zur Premiere, der seinerzeit von Karin Schöning für Kroske montiert worden war.
"Es wird nicht mehr so sorgfältig gearbeitet wie früher"
Im Mittelpunkt des Films steht der schillernde Meister der Selbstinszenierung Norbert Grupe, der unter dem Künstlernamen „Prinz Wilhelm von Homburg“ zunächst als Boxer Karriere und Schlagzeilen machte, ehe er in den USA als Filmschauspieler in Klassikern wie „Stirb langsam“, „Ghostbusters II“ oder „Die Mächte des Wahnsinns“ reüssierte. Für Schöning war die Montage des auf 35mm gedrehten Films ihr letzter Analogschnitt. Sie erinnerte sich, das Material unzählige Male angeschaut zu haben, um schließlich die wichtigsten Dinge herauszufiltern und sich somit den verschiedenen Facetten des Porträtierten anzunähern. Obwohl das digitale Schneiden bei den darauffolgenden Projekten eine Menge Vereinfachungen mit sich gebrachte habe, beklagte die Editorin auch gewisse Aspekte dieser Modernisierung: „Seit es digital ist, wird viel mehr gedreht als früher. Die Kamera wird kaum mehr ausgemacht, und es wird auch längst nicht mehr so sorgfältig gearbeitet wie früher.“ Im Gespräch mit Werner Busch erläuterte der Ehrengast darüber hinaus, dass es eher ein Zufall gewesen wäre, dass sie Schnittmeisterin geworden sei. Ihre Eltern hätten einen Freund gehabt, der als Regisseur gearbeitet habe. Schließlich habe sie sich deswegen auf eine freie Stelle bei der DEFA beworben und von dort aus dann hochgearbeitet. Einer ihrer ersten Langfilme war 1990 die Kroske-Dokumentation „Leipzig im Herbst“, in der es um die friedliche Revolution in Osteuropa ging. Noch während der Film geschnitten wurde, fiel die Mauer. Kurze Zeit später waren die DEFA-Studios Geschichte. Nur wenige Editorinnen wagten wie Karin Schöning den Sprung in die freiberufliche Tätigkeit als Schnittmeisterin. Wer die Ehrenpreisträgerin noch weiter aus ihrer Karriere plaudern hören möchte, hat bei Edimotion noch zwei weitere Gelegenheiten: am Samstagabend, 24. Oktober 2020, um 18 Uhr bei „Meet Karin Schöning“ im Filmforum, sowie am Montagmorgen, 26. Oktober 2020, nach dem Screening des Dokumentarfilms „Barluschke“ um 10:30 Uhr im OFF Broadway.
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