Der Boxprinz
Deutschland 1999
Regie: Gerd Kroske
Nachdem sich Norbert Grupe in den USA der 50er Jahre in der Rolle des Nazi-Teutonen¹ als Catcher professionell hat vermöbeln lassen, startete er eine kurze Hollywoodkarriere als Nebenrollenbösewicht und ging 1964 in die Bundesrepublik, die Heimat seines Vaters, um dort eine Karriere als Schwergewichtler zu starten. Erfolge konnte er damit zwar verzeichnen (bei 30 Siegen hatte er 6 unentschiedene Kämpfe und 11 Niederlagen), legendär wurde er allerdings hauptsächlich wegen der Art seiner Auftritte in und außerhalb des Rings. Grupe, der sich immer noch seinen Catchernamen Prinz von Homburg¹ gab, war im klassischen Boxpublikum verpönt, galt bei jüngeren Menschen aber als Popstar, den man ob seiner längeren Haare auch Boxbeatle¹ nannte. Grupe durchschritt die Sporthallen mit der Arroganz des Gewinners, er erschien mit Zigarre im Ring, lieferte dort ungewöhnliche Showeinlagen, stolzierte mit Anzug, Stock und Melone über die Reeperbahn und ließ Sportjournalisten mit einem konsequenten Schweigen auflaufen. Diesen wilden 60er Jahren spürt Regisseur Gerd Kroske mit Hilfe von Zeitungsnotizen, Filmmaterial und Interviews von Zeitgenossen Freunden und Feinden Grupes nach, und er unterhält sich selbstverständlich auch mit dem Prinzen¹ selbst, der inzwischen wieder sein Leben mehr schlecht als recht als Schauspieler in Hollywood bestreitet. Vergleicht man das Gesehene mit der eindrucksvollsten Boxdokumentation der letzten Jahre, When We Where Kings¹, so merkt man schnell, das Grupe seinem Zeitgenossen und Kollegen Muhammad Ali bei Weitem weder im Boxen, noch intellektuell ebenbürtig ist. Vor allem letzteres zeigt sich im Verlauf des Films mehr und mehr, obwohl man doch zu Beginn des Films geneigt ist, eben solche Qualitäten bei Grupe zu finden. Aber je mehr der Film in das Milieu des Boxsports der 60er und 70er Jahre eindringt, desto deutlicher wird, dass es kaum vom Zuhältermilieu und der Kleinkriminalität zu trennen ist. Und hier begegnen einem natürlich hauptsächlich Arschlöcher. Grupe schien zwar ein vages Gefühl für den Pop-Underground zu haben, lag aber letztendlich mit ziemlicher Konsequenz immer knapp neben gut¹, und seine Kriminalität und Brutalität schimmert durch seine ganze Lebensgeschichte. Das hat auch Werner Herzog angezogen, der in seiner tumben hemingwayschen Manier bei der Suche nach dem echten¹, harten Leben natürlich auf Grupe stieß und mit ihm in der Rolle als Zuhälter den Film Stroszek drehte. Von einem interessanten Leben zwischen der biederen Bundesrepublik der 60er Jahre auf der einen, und der aufkeimenden Popkultur auf der anderen Seite, erzählt Kroskes Film, doch der nur bedingt sympathische Protagonist will in beide Systeme nicht so recht passen.
(Christian Meyer)
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Doppelter Einsatz für „Afrika“
Spendenaufruf des Afrika Film Festivals – Festival 05/24