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Cristian Măcelaru
Foto: Jörn Neumann

„Ich bin ein Perfektionist“

28. August 2019

Dirigent Cristian Măcelaru übernimmt das WDR Sinfonieorchester – Interview 09/19

Mit der Spielzeit 2019/2020 übernimmt der rumänische Dirigent Cristian Măcelaru die Leitung des WDR Sinfonieorchesters. Noch in den Umzugskisten sitzend, sprach er mit uns über seine Vorgeschichte als Geiger und Konzertmeister, die Unterschiede zwischen Amerika und Europa sowie seine neue Aufgabe.

choices: Herr Măcelaru, Sie haben schon in jungen Jahren eine sehr erfolgreiche Karriere als Geiger gemacht – wie hat es sich ergeben, dass Sie zum Dirigieren wechselten?
Cristian Măcelaru:
Für mich war das ein vergleichsweise natürlicher Prozess, weil ich viel als Konzertmeister gearbeitet habe. Mir liegt das Dirigieren sehr, weil ich immer schon Musik erschaffen wollte. Hinzu kam, dass mir die Intention der Komponisten sehr am Herzen liegt und so betrübte es mich zunehmend, wenn ich miterlebte, dass Dirigenten völlig dagegen agierten. Das war für mich dann der Auslöser, es selber zu probieren und einfach zu schauen, wie es funktioniert.

Es hat ja sehr gut funktioniert! Sind Sie ein anderer Dirigent durch Ihre Vorgeschichte als Geiger und Orchestermusiker?
Ja, auf jeden Fall! Ich empfinde es als großen Vorteil, dass ich vorher selber im Orchester gespielt habe. Aus dieser Erfahrung heraus verstehe ich die Psychologie des Orchesters und das ermöglicht mir, das Orchester aus seinem Inneren heraus zu verstehen. Ich empfinde das als großes Glück und großen Vorteil.

Sie sind in Rumänien geboren und haben dort auch mit dem Violinspiel begonnen. Ihr Studium haben Sie dann in Amerika absolviert und dort ja auch zunächst gearbeitet. Was sind in Ihren Augen die Unterschiede zwischen der klassischen Musikszene in Europa und in Amerika?
Die Beziehung zwischen Europa und Amerika ist vermutlich enger als man gemeinhin annehmen würde. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass beide Seiten jeweils stark voneinander beeinflusst sind. In Europa wird Musik eher in ihrem größeren kulturgeschichtlichen und gesellschaftlichen Kontext gesehen. In Amerika hingegen wird der Fokus vor allem auf die technische Perfektion gelegt. Dort ist der Wettbewerb wesentlich größer, was aber auch zur Folge hat, dass die Musikausbildung in Amerika ausgesprochen gut ist. Aber alles in allem sind die Beziehungen in der klassischen Musikszene sehr eng und man ist sich näher, als man denken würde.


„Jedes Konzert ist ein emotionales Ereignis“
Foto: Jörn Neumann

Gibt es Dinge, die die Europäer sich von den Amerikanern abschauen sollten? Gerade im Hinblick auf Konzertpädagogik und die sehr wichtige Frage, wie man neues Publikum generiert, neue Zielgruppen erreicht?
Ich glaube, das ist eine Frage, die immer von der einzelnen Gesellschaft abhängt und die man nicht pauschal beantworten oder gar von einer Gesellschaft auf eine andere übertragen kann. Es gibt hier kein Rezept, das überall funktionieren würde. Meine Aufgabe in Köln wird sein, ein künstlerisches Konzept zu erarbeiten, dass eine gute Balance zwischen Publikum und Orchester herstellt. In Amerika wird meines Erachtens oft zu sehr das Augenmerk auf die Publikumswirksamkeit gelegt. Mir ist es sehr wichtig, ein anspruchsvolles künstlerisches Konzept zu erarbeiten, das dem Niveau des Orchesters entspricht, aber ebenso das Publikum umarmt und einfängt. Die Hörer sollen die Erfahrung machen, dass jedes einzelne Konzert ein emotionales Ereignis ist.

Sie gehen jetzt gemeinsam mit Ihrer Familie den großen Schritt von Amerika zurück nach Europa. Was hat Sie so an der Aufgabe gereizt, Leiter des WDR Sinfonieorchesters zu werden?
Ich liebe die große Leidenschaft dieses Orchesters und es passt haargenau zu meiner eigenen künstlerischen Vergangenheit. Ich bin ein Perfektionist und mir ist es wichtig, die Musik ganz klar zu interpretieren, damit sie auch so beim Publikum ankommt. Ich habe im Vorfeld schon mehrfach mit dem Orchester gearbeitet und dabei gemerkt, dass die Musiker willens sind, an dieser Klarheit zu arbeiten. Und was natürlich auch noch dazu kommt ist, dass wir uns gegenseitig mögen – zumindest glaube ich das! (lacht)

Können Sie schon etwas zu Ihren mittelfristigen Plänen mit dem Orchester sagen? Wollen Sie beispielsweise neue Formate einführen, ein bestimmtes Repertoire in den Fokus rücken?
Mein Ziel ist es, das Orchester herauszufordern – und das mit jedem Repertoire. Das WDR Sinfonieorchester ist bereits jetzt ein Klangkörper von Weltklasse und kann jedes Repertoire spielen. Ich war begeistert von der Leichtigkeit und Flexibilität, mit der die Musiker die Werke Beethovens umsetzen. Diese Flexibilität wünsche ich mir in jedem Repertoire. Das Orchester soll Bach ebenso brillant spielen wie Mahler. Die Exzellenz des Orchesters soll sich durch das gesamte Repertoire und durch alle Epochen ziehen. An den Formaten möchte ich zunächst nichts ändern. Wir werden weiter unsere Abonnement-Konzerte machen, die Familienkonzerte, die Konzerte mit der Maus… und ich werde alle Konzerte dirigieren. Ich kann nichts verbessern, was ich nicht kenne, daher muss ich erst reinkommen. Überhaupt bin ich ein sehr großer Fan davon, Dinge beizubehalten, die gut funktionieren.

Sie sind gerade mit Ihrer Familie nach Bonn gezogen. Haben Sie sich und Ihre Familie auf irgendeine Weise auf das Leben im Rheinland vorbereitet, sich zum Beispiel in den Karneval eingearbeitet?
(lacht) Ehrlich gesagt habe ich selber den Karneval schon mehrfach mitbekommen, zuletzt im März, als ich auf Haussuche in Bonn war. Aber ich bin schon sehr gespannt darauf, wie meine beiden Kinder darauf reagieren werden, denn so etwas wie Karneval gibt es in Amerika nicht. Ich freue mich sehr darauf, im Rheinland zu leben, das ich als einmalig empfinde. Mir ist es sehr wichtig, in derselben Gesellschaft zu leben wie das Orchester, mit dem ich arbeite. Das Orchester soll ein Teil meiner Familie werden und das geht nur, wenn man vor Ort lebt.

Haben Sie noch ein schönes Schlusswort für uns?
Ich freue mich einfach sehr, dieses neue Kapitel mit dem WDR Sinfonieorchester zu beginnen. Es ist schon jetzt ein hervorragender Klangkörper und ich möchte gerne erreichen, dass das noch viel mehr Menschen – auch außerhalb der Region – realisieren.

Antrittskonzert Cristian Măcelaru: Mahler, Dvořák | 6., 7.9. je 20 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 280 280

Interview: Verena Düren

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