Schaut man sich Opernprogramme an, so scheinen sie fast untrennbar miteinander verbunden zu sein – Pietro Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Ruggero Leoncavallos „Pagliacci“ („Bajazzo“), denn in der Regel werden die beiden gut einstündigen, einaktigen Opern an einem Abend gespielt. So auch jetzt ganz aktuell in Bonn in einer Inszenierung des früheren Oberspielleiters Guy Montavon.
„Cavalleria rusticana“ („Sizilianische Bauernehre“) basiert auf einer Novelle von Giovanni Varga, wurde 1890 in Rom zur Uraufführung gebracht und hatte einen durchschlagenden Erfolg: Nicht nur gewann Mascagni mit seinem Werk einen Wettbewerb für Einakter, auch fand diese binnen zwei Jahren überall Verbreitung. Geschildert wird der eigentlich friedliche Ostermorgen in einem sizilianischen Dorf. Nur Santuzza ist getrieben von Unruhe und Leid, denn ihr Geliebter, Turiddu, hat sich erneut auf Lola, die Frau des Fuhrmanns Alfio, eingelassen. Bei Turiddus Rückkehr hält Santuzza ihn auf, macht ihm Vorwürfe und fleht ihn an. Doch er eilt in die Kirche und sieht die Schuld nur bei ihr – warum nimmt sie sein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel nicht schlicht hin? Voller Wut klärt Santuzza Alfio, der von der Treue seiner Frau überzeugt ist, vom Gegenteil auf und löst damit ein Duell aus, das für Turiddu tödlich enden wird. Mascagnis Oper gehört in die Strömung des Verismo, ein Ansatz in der italienischen Oper des 19. Jahrhunderts, in der man sich nicht mehr nur mit den Geschehnissen in adligen Kreisen beschäftigte, sondern auch ins bäuerliche Milieu ging und sich mit alltäglichen Geschichten und realem Leid und Freud auseinandersetzte.

Zu dieser Strömung gehören auch die Werke von Ruggero Leoncavallo, weshalb sein „Bajazzo“ sich auch anbietet, um diesen mit „Cavalleria rusticana“ zu kombinieren. Seine 1892 uraufgeführte Oper basiert auf einem eigenen Libretto und ist das einzige Werk Leoncavallos, das auch heute noch fest zum Opernrepertoire gehört. Im Gegensatz zu Mascagni, der sich mit seiner teils recht rauen Bauernoper in ein sehr realistisches Milieu begibt, ist der „Bajazzo“ ein Theater im Theater und spielt in einer Commedia dell’arte-Truppe. Hier vermischen sich das Eifersuchtsdrama zwischen Nedda und Canio im realen Leben mit dem von Bajazzo und Colombina auf der Bühne. Am Ende wird auch hier nicht nur Theaterblut vergossen, als Canio in seiner Rolle des „Bajazzo“ ganz real seine „Colombina“ auf der Bühne ersticht.
In Bonn setzt Montavon die beiden Eifersuchtsdramen in einem schlichten, aber dennoch effektvollen Bühnenbild von Hank Irwin Kittel in Szene, das dominiert wird von den beiden überdimensionalen Totenmasken der beiden Komponisten, die zwischenzeitlich sogar als Bühne dienen. Wirkt der Hintergrund in der Cavalleria noch wie eine italienische Urnen-Gräberhalle mit den einzelnen Kassetten, so sind diese im Bajazzo durchbrochen und bieten Raum zur Durchsicht – oder auch zum Versteckspielen und Belauschen. Auch in der Ausstattung bleibt es realistisch bis hin zum schillernden Treiben der Schauspieltruppe des Bajazzo mit viel Pomp und Schaukel – ganz an den Verismo angepasst.
Das Beethoven Orchester unter der Leitung von Will Humburg brilliert durchgehend mit gefühlvollen, aber auch mal atemberaubend dramatischen Tönen. Für Letztere sorgte in der „Cavalleria“ vor allem die überzeugende Sarah Ferede in der Rolle der Santuzza, die die verstoßene – und schwangere – Geliebte voller Verzweiflung spielte. Zwischen Koketterie, Leidenschaft und Angst setzte Anna Princeva ihre Nedda um. Die Herren durften teils direkt in beiden Kurzopern spielen, so übernahm George Oniani sowohl den Turridu als auch den Canio, Ivan Krutikov war sein Gegenspieler als Alfio, sein Komplize als Tonio. Beide setzten ihre Rollen mit Bravour um, was mit anhaltendem Applaus vor der Pause und am Ende belohnt wurde. Ein dramatischer Opernabend – bestens umgesetzt!
„Cavalleria rusticana / Pagliacci“ | ausverkauft bis 17.5. | Theater Bonn: Opernhaus | 0228 77 80 08
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