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Bunt, verdreht, verschwebt

25. August 2016

Musik mit drogenähnlicher Wirkung – Kompakt Disk 09/16

„Foreverland“ ist das elfte Album der nordirischen Chamber-Pop-Band The Divine Comedy. Hinter den süßen Popmelodien und den klassizistischen Arrangements steht Neil Hannon, einziges dauerhaftes Mitglied der Band, die sich im gesamten Style an den späten 60er Jahren orientiert. Auch das neue Album ist wieder sehr hübsche Popmusik mit Retro-Charme. Zeitlos … oder etwas aus der Zeit gefallen (Divine Comedy Rec). Von Eric Copeland, Mitglied der Band Black Dice, gibt es auch beinahe unhörbare Noisecollagen. Sein neues Album ist hingegen Pop, wie man sich das beim Titel „Black Bubblegum“ nur vorstellen kann: Fluffig wie Kaugummi wippen die Beats, die den 70s-geschwängerten Glam-Vibe transportieren. Aber ‚Black‘? Das hier klingt eher quietschbunt wie ein guter LSD-Trip – bzw. wie ich mir einen vorstelle (DFA).

Yemenite Folk 'n' Beat nennen A-Wa ihre Musik. Die drei von Ofra Haza beeinflussten israelischen Schwestern singen als Enkel jüdischer Jemeniten hebräisch und arabisch und sorgten mit dem Titelstück „Habib Galbi“ für den ersten arabisch gesungenen Nummer-1-Hit in Israel. Balkan Beat Box-Sänger Tomer Yosef erhielt ein Demo der Schwestern, die musikalisch u.a. von ihrem jüngeren Bruder mit elektronischen Beats unterstützt werden – Percussion, leichte Melodien, tiefe Bässe und einige Arabesken umspielen den betörenden Gesang deutlich weicher als beispielsweise bei dem Syrer Omar Souleyman (Tôt ou tard). Das australische Plunderphonics-Trio The Avalanches hat nach seinem gefeierten Debüt „Since I Left You“ tatsächlich 16 Jahre für den Nachfolger „Wildflower“ gebraucht. Nun, gut Ding will Weile haben. Wenn man das Ergebnis hört, gibt es keinen Grund zur Klage: Die Sample-basierte Musik kommt mit ihrer Leichtigkeit und dem Humor gerade noch rechtzeitig zum Sommer. Gastsänger und -rapper halten die Stücke zusammen und regelmäßige Brüche retten vor dem Cheesy-Vorwurf (XL). Mykki Blanco, transgender Rapper und Musiker, Poet, Performancekünstler und LGTB-Aktivist, hat sich im letzten Jahr als HIV-positiv geoutet. Es ist naheliegend, den düsteren Sound seines lange erwarteten Debütalbums „Mykki“ auf diese existentielle Dringlichkeit zurückzuführen, greift aber sicher zu kurz. Zumal er dem darken Avant-Hip-Hop-Image immer wieder mit poppigen Refrains einen Haken schlägt (!K7).

„Gorgo“, das fünfte Album des italienischen Sludge-Trios MoRkObOt, verbindet mehr denn je instrumentale Wucht mit psychedelischen Ruhephasen. Auf sieben Stücken schieben die drei Musiker schwere, heruntergetunte Bassriffs gegen das Schlagzeug. Das Album erscheint wie immer mit feinstem Graphic Design und Deluxe-Packaging (Supernatural Cat). Mit „The Childhood of a Leader“ erscheint Scott Walkers Soundtrack zu Brady Corbets gleichnamigem Film.In den 60er Jahren Gründer der Walker Brothers und danach zunehmend experimentell klingender Crooner, hat Walker Mitte der 90er Jahre zu einer extremen, neutönerischen Avantgarde gefunden, die in radikale Werke wie „The Drift“ oder zuletzt die Kooperation mit dem Drone-Duo Sunn O))) mündete. Dieser Soundtrack klingt … nun ja, wie ein Soundtrack. Zwar modern, düster und experimentell, doch Walkers jüngste Radikalität und auch sein inzwischen extremer Gesang hätten sich wahrscheinlich zu sehr über den Film gelegt. Daher für Walker fast unspektakulär, ansonsten ein gelungenes Opus (4AD).

Christian Meyer

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