Freitag, 13. Oktober: Zum 17. Mal findet noch bis zum 16. Oktober in Köln das Festival für Filmschnitt und Montagekunst „Film+“ statt. Schon lange hat es sich als wichtigster Branchentreffpunkt auch über die Grenzen Deutschlands hinaus etabliert. Hinter den Kulissen ist es mittlerweile zu einem Wechsel gekommen, da die Gründer und bisherigen Leiter sich zurückgezogen und den Stab an ein Dreigestirn neuer Macher übergeben haben. Kyra Scheurer, die bereits seit 15 Jahren bei „Film+“ mitarbeitet, teilt sich nun die künstlerische Leitung mit dem Neuzugang Dietmar Kraus. Als organisatorische Leiterin zeichnet Jenny Krüger verantwortlich, die auch bereits seit drei Jahren für das Festival tätig ist. Am Eröffnungsabend stellte sich zunächst das neue Team selbst vor und gab im Anschluss einen Ausblick auf die drei kommenden Festivaltage. Dietmar Kraus berichtete: „2007 bin ich als Fan zum Festival gekommen und darf es jetzt als Co-Kurator mit betreuen. Es freut mich sehr, dass ihr mich so herzlich ins Team aufgenommen habt.“ Im Jahr 2017 sei es zu Rekordeinreichungen in den beiden Wettbewerbskategorien Spielfilm respektive Dokumentarfilm gekommen, wo jeweils fünf Filme um den mit je 7.500 Euro dotierten Schnitt-Preis konkurrieren.
Der Eröffnungsabend stand jedoch zunächst einmal ganz im Zeichen der diesjährigen Ehreneditorin Inge Schneider, die in den vergangenen Jahrzehnten in rund 45 Arbeiten ihre Meisterschaft im Filmschnitt unter Beweis gestellt hatte. Der Kurator der Hommage „Ehrenpreis Schnitt“, Werner Busch, freute sich besonders, dass man „Film+“ jedes Jahr mit einem besonders herausragenden Film eröffnen könne, wenn man mit dem Ehrenpreis beginnt. So lief am Abend als Grundlage für das anschließende Werkstattgespräch mit Inge Schneider der von Andres Veiel inszenierte Dokumentarfilm „Die Spielwütigen“, den Inge Schneider geschnitten hatte. „‘Die Spielwütigen‘ ist nicht nur ein Dokumentarfilmklassiker, sondern auch ein ‚Film+‘-Klassiker, weil Inge Schneider dafür 2004 den ersten Schnitt-Preis in der Kategorie Dokumentarfilm gewann“, so Busch. Als Laudatoren konnte man Andres Veiel gewinnen, dessen Film nach einer Neuabtastung und digitaler Restaurierung anschließend im Filmforum seine Weltpremiere erlebte. Veiel blickte zurück auf sein Kennenlernen mit Inge Schneider im Jahr 1996, als ihm von Kollegen gesagt wurde, dass sie bei der Auswahl ihrer Projekte äußerst wählerisch sei. Die beiden kamen dennoch zusammen und erlebten mit „Die Spielwütigen“ eine Achterbahnfahrt aus Höhen und Tiefen. „Inge hat Wochen an einzelnen Sequenzen gekämpft, was man dem organischen Endergebnis gar nicht mehr ansieht. Sie blickt in die Seelen der Menschen hinein, weil sie sie durch ihren Schnitt zum Leuchten bringt“, kommentierte Veiel das Schaffen seiner Editorin bei seiner Laudatio. Schneider selbst fehlten nach Veiels Ansprache die Worte: „Mein ganzes Leben läuft mir nun wieder durch den Kopf, ich kann einfach nur Danke sagen.“
Nach der Projektion des Films ließ die frisch gebackene Ehreneditorin im Werkstattgespräch mit Werner Busch dann doch noch etwas tiefer in ihr Schaffen blicken. Sie erzählte, dass die siebenjährigen Dreharbeiten von „Die Spielwütigen“ am Ende 250 Stunden Material ergeben hätten, das sie in siebenmonatiger Arbeit in die finale Filmform gebracht habe. Obwohl es im Film etliche Schuss-Gegenschuss-Sequenzen gibt, wurde das meiste lediglich mit einer Kamera gefilmt. Diese an Spielfilmen orientierte Gestaltungsform hat Inge Schneider aus dem vorhandenen Material heraus entwickelt. Insgesamt hatte Veiel für die Dokumentation 20 angehende Schauspieler gefilmt, von denen schließlich zehn an der Ernst-Busch-Schule angenommen wurden. Dass nur vier von ihnen den Weg in den fertigen Film gefunden haben, habe ihm einige Feinde eingebracht. Werner Busch machte auf Parallelen im Werk Inge Schneiders aufmerksam, die häufig Filme geschnitten hat, die von einem Protagonistenensemble getragen werden. Das sei allerdings nur ein Zufall, meinte die Editorin. In Bezug auf den Film „Prinzessinnenbad“, in dem die drei Hauptfiguren sich auch mitunter einer sehr direkten Sprache bedienen, sagte Schneider: „Da ich meine Protagonisten liebe, beschütze ich sie im Schnitt automatisch und versuche nicht, sie sich selbst bloßstellen zu lassen.“ Es sei ebenfalls nur ein Zufall, dass sie so häufig mit jungen und Erstlingsregisseuren zusammengearbeitet habe. Dennoch erläuterte Schneider anschließend: „Ich habe Spaß dabei, jungen Leuten Kraft zu geben oder sie mit meiner Arbeit nach dem Dreh aufzubauen.“ Am kommenden Montag findet im OFF Broadway ebenfalls in Anwesenheit von Inge Schneider um 11 Uhr die Vorführung von „Der Glanz von Berlin“ aus dem Jahr 2001 statt, über den die Editorin danach ebenfalls sprechen wird.
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