Freitag, 21. Oktober: Mit einer großen Überraschung eröffneten die Gründer und Geschäftsführer des Kölner Festivals für Filmschnitt und Montagekunst, Nikolaj Nikitin und Oliver Baumgarten, die 16. Auflage von Filmplus. „Mit sechzehn Jahren steht Filmplus auf sehr soliden Beinen und blickt erwartungsvoll in seine Zukunft. Zeit für uns, zu gehen, und die Geschicke des Festivals in andere treusorgende Hände zu geben“, enthüllte Nikitin bei der Eröffnungsveranstaltung im gut besuchten Filmforum. Dass die beiden ehemaligen Herausgeber der Filmzeitschrift „Schnitt“, aus der das Festival hervorgegangen war, schon seit Jahren tatkräftig durch die künstlerische Leiterin Kyra Scheurer und den Hommage- und Gastlandkurator Werner Busch unterstützt wurden, hat diesen Rückzug für die beiden sicherlich deutlich einfacher gemacht. Busch hatte in diesem Jahr die Hommage an Ursula Höf auf die Beine gestellt, die als Preisträgerin des Geißendörfer Ehrenpreises Schnitt am kommenden Montag zusammen mit den Siegerfilmen aus den Kategorien Spielfilm, Dokumentarfilm und dem Arri Media Förderpreis Schnitt ausgezeichnet werden wird.
Traditionell begann auch das 16. Filmplus mit einem ersten Screening aus der Reihe Hommage. Ausgewählt wurde einer der Lieblingsfilme von Ursula Höf, der 1999 unter der Regie von Rolf Schübel entstandene „Gloomy Sunday – Ein Lied von Liebe und Tod“. Bei dem Film hatte Höf nicht nur für den Schnitt verantwortlich gezeichnet, sondern gemeinsam mit Dirk Jacob auch das Sounddesign erstellt. Noch vor der Projektion des Filmes, die Mithilfe des Filmmuseums Düsseldorf mit einer nie zuvor gespielten 35mm-Archivkopie des Films erfolgte, würdigten Werner Busch und Laudatorin Helke Sander das beispielhafte Schaffen Höfs, die nicht nur über 70 Montagearbeiten vorweisen kann, sondern sich auch jahrelang für das Berufsbild der Editoren engagierte und als Gewerkschaftsvertreterin tätig war. Regisseurin Sander datierte die erste Begegnung mit „Olla“ Höf auf das Jahr 1971 zurück, als beide im gleichen Haus gelebt hätten und sich nur zufällig im Treppenhaus begegnet seien. Ihr frauenpolitisches Engagement, obwohl in eher gegensätzlichen Organisationen, habe ein erstes verbindendes Element zwischen beiden geschaffen. 1977 begann schließlich die berufliche Zusammenarbeit und die bis heute andauernde persönliche Freundschaft der beiden Frauen. Höf unterstrich in ihrer Danksagung, dass sie zusammen mit Helke Sander einen gemeinsamen Humor entwickelt habe, der schließlich die Grundlage für ihre Zusammenarbeit lieferte. Zu großem Applaus merkte die Ehrenpreisträgerin weiter an: „Ich bin sehr froh, dass mit dieser Auszeichnung auch mal meine 38 Jahre berufspolitischer und gewerkschaftlicher Arbeit gewürdigt werden.“
Nach der Filmvorführung leitete Werner Busch ein kurzes Werkstattgespräch mit Ursula Höf, in dem diese berichtete, dass sie von Schnittbeginn bis Ende der Mischung ca. acht Monate an „Gloomy Sunday“ gearbeitet habe. Der Film entstand in der Übergangsphase zur Digitalisierung, weswegen der Ton schon am Computer angelegt worden sei. Chefkameramann Edward Klosinski habe viele Rundfahrten und Schwenks gedreht, die durch die Musikuntermalung getragen werden sollten. Höf habe allerdings im Schnittraum festgestellt, dass dies nicht der Fall ist, und sich deswegen entschieden, gegen die Kamera zu schneiden. „Es war mir schnurz, was Klosinski am Ende dazu sagen würde, aber er fand es dann auch sehr schön.“ Regisseur Rolf Schübel war es von seinen vorangegangenen Dokumentarfilmen gewohnt, beim Schnitt aktiv involviert zu sein. Auch dazu hatte die selbstbewusste Höf eine Anmerkung parat: „Schübel hat in der Zusammenarbeit mit mir gemerkt, dass es besser ist, wenn er mich erstmal selbst machen lässt. Sein Vertrauen wuchs aber schnell, weil wir auf einer Linie lagen.“ Im weiteren Verlauf von Filmplus stehen in den nächsten Tagen noch ein ausführliches Werkstattgespräch mit der Ehreneditorin unter dem Titel „Meet Ursula Höf“ (Sonntag, 23. Oktober, 17.30 Uhr im Filmforum des Museum Ludwig) sowie die Projektion des Films „Die allseitig reduzierte Persönlichkeit – Redupers“ von Helke Sander aus dem Jahr 1978 mit anschließendem Publikumsgespräch (Montag, 24. Oktober, 11 Uhr im OFF Broadway) auf dem Programm.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
Rechtsextreme Terroranschläge
„Einzeltäter Teil 3: Hanau“ im Filmhaus – Foyer 02/24
„Monika musste sterben, weil sie nicht auf den Bus warten wollte“
Auf der Suche nach Gerechtigkeit beim dfi-Symposium – Foyer 01/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24