Im Mai hat in Bonn erstmals das ensemble-netzwerk als bundesweite Ensemble-Versammlung der deutschen Theater getagt und Forderungen aufgestellt, um die vielfach prekären Arbeitsbedingungen am Theater zu verbessern. Dazu gehören unter anderem gleiche Gehälter für Männer und Frauen, bezahlte Baby-Zeit und Kündigungsschutz für junge Mütter, Kinderbetreuung für Schauspielerinnen usw. Der Katalog macht deutlich, dass von einer Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern kaum die Rede sein kann. Das Theater ist nach wie vor eine Männerbastion. Das Landestheater Neuss mit Bettina Jahnke an der Spitze ist derzeit das einzige Stadt- oder Landestheater in NRW, das von einer Frau geleitet wird. Nichtsdestotrotz hat sich etwas verändert. Junge Frauen, die heute Regie führen, profitieren von Erfolgen vorhergehender Generationen: Von Vorkämpferinnen wie Ida Ehre und Ruth Berghaus, Durchsetzerinnen wie Andrea Breth und Ariane Mnouchkine, Intendantinnen wie Barbara Frey und Karin Beier.
An den Theatern in Köln und Bonn inszeniert nun zum Auftakt der neuen Spielzeit die vierte Generation: Laura Linnenbaum bringt am Theater Bonn Shakespeares „Romeo und Julia“-Tragödie heraus. Ein Stück, in dem zwei alte Veroneser Familien seit Jahrhunderten in gegenseitigem Hass miteinander verbunden sind, der unüberwindlich scheint. Diesem Hass setzten die beiden Protagonisten mit ihrer Liebe einen anderen Blick entgegen.
Im März 2015 schrieb Laura Linnenbaum auf dem Blog des Frankfurter Schauspieles: „Und das Theater ist ein Ort, an dem ich jeden Tag, bei jeder Probe und bei jeder Vorstellung die Möglichkeit (!) habe, gemeinsam zu erfahren, dass ich und wir die Perspektive, die wir auf etwas haben, selbst entwickeln können. Dass Perspektive ein aktiver Vorgang und kein Zustand passiven Empfangens sein muss und dass es nicht immer nur eine Blickrichtung gibt.“ Laura Linnenbaum hat Schauspiel-Regie in Frankfurt studiert, als Assistentin am Frankfurter Schauspiel gearbeitet und gleichzeitig auch schon eigene Arbeiten in Darmstadt, Bonn oder Saarbrücken realisiert.
Die gleichaltrige Pinar Karabulut studierte zunächst Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Neuere deutsche Literatur in München und arbeitete dann mehrere Jahre als Assistentin am Schauspiel Köln. Inzwischen ist auch sie als freie Regisseurin unter anderem am Maxim Gorki Theater und an ihrem Stammhaus unterwegs, wo sie in der nächsten Spielzeit ein Experiment startet: Auf der Baustelle des Kölner Schauspielhauses am Offenbachplatz bringt sie in einer „Außenspielstätte“ Dirk Lauckes neues Stück „Karnickel“ heraus; eine satirisch überzogene Analyse des liberalen Akademikermilieus um einen Filmprofessor, seine esoterisch angehauchte Ehefrau, den dementen Karnickel suchenden Vater und den heimkehrenden Künstler-Sohn samt Freundin. Ein Stück wie gemacht für Karabulut, die den grotesk überdrehten Zugriff auf Stücke liebt.
„Romeo und Julia“ | R: Laura Linnenbaum | Theater Bonn | 14., 22., 25., 30.9. 19.30 Uhr | 0228 77 80 08
„Karnickel“ | R: Pinar Karabulut | Schauspiel Köln | Do 29.9. 19.30 Uhr | 0221 22 12 84 00
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