„Hey, ich bin jetzt alt / bald bin ich kalt“. Popstars in der Krise? Alterswerk? Mit den zitierten Worten beginnt das neue Tocotronic-Album „Wie wir leben wollen“, das im Januar erscheint. Es ist das zehnte Album in der 20jährigen Bandgeschichte. Nach den letzten beiden Werken, die mit schmirgelndem Rock nach Frischzellenkur klangen und tolle Melodien und Texte lieferten, klingt das neue Album etwas … alt. Die naheliegenden Melodien nähern sich oft der wesentlich uncooleren Deutschrock-Fraktion, das Gitarrenschmirgeln wirkt mitunter mechanisch. Stücke wie „Vulgäre Verse“ oder „Exil“ ragen da heraus. Ob der Rest mehr Zeit braucht, um angemessen gewürdigt zu werden? (Universal). Mit wenigen Ausnahmen machen Pere Ubu seit über 35 Jahren aufregende Platten. Mit „Lady from Shanghai“ gibt es nun erstmals ein elektronisches Dance-Album, das zugleich nach New Wave und nach State of the Art klingt. Auch hier steht die markante hohe Stimme von David Thomas im Mittelpunkt, die von spröden Sounds durchsetzte Rhythmusmaschine ersetzt weitgehend das rockige Gerüst früherer Platten (Fire). Die irischen Villagers, eigentlich ein von Conor O’Brien zur Band ausgeweitetes Soloprojekt, machen kunstvolle Popsongs. Schwelgerisch, aber mit gezielt eingesetzten Stolpersteinen verschreiben sich die Stücke des zweiten Albums „Awayland“ nicht nur dem Schönklang (Domino).
Metaebenen: „Berberian Sound Studio“ ist ein Film von Peter Strickland, der einen Filmmusiker, der in den 70er Jahren den perfekten Sound für italienischen Giallo-Horror sucht, auf seinem Weg in den Wahnsinn begleitet. Entsprechend ungewöhnlich böse klingt der gleichnamige Soundtrack von Broadcast. Das letzte Album der Band, die sich nach dem plötzlichen Tod von Sängerin Trish Keenan wohl auflösen wird, mäandert zwischen klassizistisch-romantischen Skizzen und finsteren Klangcollagen, die tatsächlich mitunter an Dario Argentos Hausband Goblin erinnern – toll (Warp). Björks multimediales Multiplattform-Album „Biophilia“ erfährt jetzt eine nochmalige Erweiterung mit dem Remixalbum „Bastards“. Dort toben sich vor allem avancierte Elektroniker wie Hudson Mohawke, Matthew Herbert oder Alva Noto aus, aber auch These New Puritans oder der arabische Hochzeitsmusiker Omar Souleyman kommen zum Zug (One Little Indian). Nach Black Noise findet der Hamburger Elektroniker Pantha Du Prince nun zu echten analogen Glöckchen. Auf „Elements of Light“ vereinen sich seine Beats und Sounds mit den Klängen des Bell Laboratory um den dänischen Komponisten Lars Petter Hagen zu beinahe magischen Klangskulpturen (Rough Trade). Wo wir schon in Ambient-nahen Gewässern fahren: Alle Jahre wieder heißt es im Hause Kompakt Pop Ambient. Die Ausgabe für das Jahr 2013 ist bereits die 13. Compilation mit besinnlichen Elektronikklängen. Dieses Mal sind neben alten Bekannten wie Wolfgang Voigt, Triola oder Mikkel Metal auch einige Neulinge mit dabei. Das Ganze startet mit einer Pink Floyd-Hommage.
In der No Wave-Doku „Blank City“, die Anfang 2013 ins Kino kommt, erzählt Jim Jarmusch von der New Yorker Film- und Musikszene, deren Teil er war – als Filmemacher wie als Musiker mit den Del-Byzanteens. Jetzt hat er nach langen Jahren wieder zur Musik gefunden: Zusammen mit dem Lautenisten Jozef Van Wissem hat er das sakral anmutende Minimalalbum „The Mystery of Heaven“ eingespielt. Van Wissem zupft die Laute, Jarmusch unterlegt mit Gitarrendrones, dass man sich fast wie ein „Dead Man“ fühlt (Sacred Bones).
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