Dass die Karnevalssession vergleichsweise kurz ist, mag der eine bejubeln, der andere bedauern: Egal, denn auch nach Aschermittwoch darf gelacht werden. Schließlich existieren eine ganze Reihe unterschiedlicher Theorien über den menschlichen Humor. Wo genau er verortet ist, haben weder Wissenschaftler noch Philosophen herausgefunden. Fest steht nur, dass es im 16. Jahrhundert Pfarrer gab, die beim Ostergottesdienst Witze erzählt, Grimassen geschnitten und allerhand Schabernack getrieben haben. Lange her, dieser schöne Brauch!
Der in den USA lebende Philosoph Daniel Dennett hat 2010 eine Theorie über den Humor aufgestellt: Es handelt sich um die Strategie des Gehirns, das permanent ein plausibles Modell der Wirklichkeit entwirft – und dabei immer wieder Fehler macht. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Wir suchen ständig nach Irrtümern in unserem Denken und unserem Wahrnehmen und lachen uns schlapp, wenn wir fündig werden. Anders gesagt: Unser Grips will überrascht werden. Deswegen machen sich Kabarettisten und Comedians, Spaßmacher und Satiriker tagein tagaus tiefschürfende Gedanken. Wirklich witzig zu sein, ist nicht so einfach, wie es oft den Anschein hat.
Einer von jenen Künstlern, die mit einem so feinen wie hinterfotzigen Humor ausgestattet sind, heißt Frank-Markus Barwasser, besser bekannt als Erwin Pelzig. Der Mann mit dem Batschkäppi, dem fränkischen Zungenschlag und dem Herrenhandtäschchen ist endlich wieder live zu erleben – und nicht nur in der Glotze: Wie seine Talkshow – übrigens entschieden die beste der ARD – heißt sein Programm „Pelzig stellt sich“, mit dem er am 22.2. in der Comedia gastiert. Barwasser geht den Dingen auf den Grund, frei nach den Worten des amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson (1803-1882), der gesagt hat „Die Dinge sind im Sattel und reiten uns“. Wie recht er hatte.
Nur einen Tag später steht im selben Theater mit Thomas Lienenlüke ein (noch) nicht ganz so bekannter Musik-Kabarettist auf der Bühne. „Revanche?“, so der Titel seines ersten Solo-Programms, mit dem der bisher als Autor von Anke Engelke, Cordula Stratmann und des „Satiregipfel“ arbeitende Mann aus Bielefeld das Publikum verzaubern wird. Visuell sei der Abend eher ans Radio angelehnt, flachst der seit vielen Jahren in Köln lebende Künstler, dessen selbst geschriebene Lieder und Geschichten eine ganz eigene Handschrift tragen. Lienenlüke besitzt nicht nur eine ausufernde, die Grenzen der Realität hin und wieder hinter sich lassende Fantasie, er beherrscht auch die Kunst, sich selbst auszuhebeln. Mal mit ironischen Seitenhieben aufs Showbiz, mal mit Beobachtungen der um sich greifenden Junggesellen-Abschieds-Rituale. Für einen gewissen Manfred („die Deppen heißen bei mir alle Manfred“) gibt es am Morgen seiner Hochzeit ein böses Erwachen am Kölner Dom, das ihn zu einem der vielen Heirats-Desperados macht. Lienenlüke singt von Malte, einem hochbegabten Dreijährigen, von Ummeln in Westfalen, wo man so schön chillen kann, und von Jack-Wolfskin-Jacken tragenden Deutschlehrern („wasserdicht bis auf 1.000 Meter“). In seinen Texten wohnt die Komik gleich neben der Tragik, der gruselige Schauer neben den drohenden Katastrophen. Seine Vorstellungskraft speist sich aus dem Alltag wie etwa der Besuch im Arbeitslosenzoo, bei dem er am Ende in ein Schimpansenkostüm steigt. Dem schwarzen Humor eines Georg Kreisler nicht unähnlich ist der Song von Katrin, für die das Glück ein Arschloch ist – bis sie sich schließlich mit Hilfe einer Prise Zyankali auf die Seite der Gewinner katapultiert. Kurz, Lienenlüke deckt ein breites Spektrum ab, weniger was die mimische als die inhaltliche Ausdrucksfähigkeit angeht. Dass er das selbst am besten weiß, macht ihn zu einem der sympathischsten Künstler auf den Kleinkunstbühnen des Landes. Schwört wie immer hoch und heilig die Ihnen stets ergebene
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