Bedrohlich rattert die Drummaschine los, die Snare zwiebelt im Hintergrund und Sänger Franklin James Fisher verkündet: „Now it´s two minutes from Midnight / and they´re building houses of cards“. Auch auf dem dritten Album, der den passend-apokalyptischen Namen „There Is No Year“ trägt, geht es um die großen Verwerfungen der Menschheit: Rassismus, Ausbeutung, Kapitalismus, Gewalt. Die Band aus Atlanta gibt sich nicht damit zufrieden, ein bisschen über die Entgleisungen von Donald Trump auf Twitter und seiner komischen Frisur zu witzeln. Der Präsident sei sowieso nur ein Produkt der Kultur, die ihn hervorgebracht habe. Bei Algiers geht’s um die große ganze Misere der Welt.
2012 gegründet, landete die Band schon bald beim legendären Indie-Label Matador, wo sie 2015 ihr erstes Album veröffentlichten. Und während es vor infantil-wütenden Rockbands nur so wimmelt, setzte Algiers von Anfang an Kontrapunkte – nicht nur mit ihren poetisch-apokalyptischen Texten, sondern auch mit ihrem ausgefeilten Soundbild zwischen Punk, New-Wave, Soul und Industrial. Algiers braucht keine überbordenden Gitarrenriffs, um Dringlichkeit anzuzeigen. Flackernde Synthie-Spuren, dumpf-dröhnende Bässe und verhangene Orgeln zeichnen hier ein Endzeitgelände, das die musikalischen Traditionen der letzten Jahrzehnte virtuos zu verbinden weiß. Und über all dem thront die erhabene Gospel-Stimme Fischers, dem Weihepriester dieser Höllenschau. Es ist eine Binse, aber Algiers beweist es eindrücklich: Schlechte Zeiten für die Welt bedeuten gute Zeiten für die Kunst.
Ihre Experimentierfreudigkeit lebt die Band aber nicht nur musikalisch aus. Zuletzt erarbeiteten sie gemeinsam mit Filmemacher Sam Campbell die Webinstallation „Can the Sub Bass Speak?“. In wimmelnden Bildfetzen und mit Free-Jazz Bläsern unterlegt, prasseln da Spoken-Word-Tiraden über den Zuschauer ein. Dagegen wirkt die neue Platte ruhiger und nuancierter, ja stellenweise fast poppig. Beim eingängigen „Chaka“ will man schon die Hüften kreisen lassen. Doch auch hier wird man durch schrille Synthie-Einschübe schnell wieder auf den Boden der Tatsachen geholt. Es bleibt ein Tanz mit dem Teufel.
Algiers | Fr 14.2. 20 Uhr | Club Volta | 0221 888 90 60
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