Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

Der heilige Adelige: Otto von Schirach
Foto: Sarah Sitkin

Adeliger Breakcore

25. Juni 2013

Zwischen zarter Trennungstrauer und Zerstörungswut – Unterhaltungsmusik 07/13

Vor gut zehn Jahren tingelte er quasi obdachlos zwischen San Francisco und Los Angeles, hatte sehr lange Haare und einen Rauschebart. Alleine damit war Devendra Banhart prädestiniert fürs Aushängeschild des Freak Folk. Die psychedelischen Folksongs, die er per Telefon auf dem Anrufbeantworter eines Freundes aufnahm, taten ein Übriges. Inzwischen sind die Haare kurz, vom Bart ist nur ein Hipster-Schnäuzer geblieben, und zusammen mit seiner Freundin Ana Kraš dreht er auch mal Commercials für Designer-Brillen. Platten macht er aber natürlich weiterhin, und das erfolgreich. Gerade ist das neue Album „Mala“ mit immer noch ungewöhnlichen Songs erschienen. In Köln tritt vorher der Düsseldorfer Klavier-Minimalist Hauschka auf (2.7., 20 Uhr, Kulturkirche). Der cheesy-überdrehte Powerpop von Vampire Weekend wird gerne mit den Talking Heads verglichen – nicht zuletzt wegen der Anleihen an afrikanischer Musik. Im Ganzen betrachtet sind die Parallelen zu den Talking Heads nicht so dominant und werden auch immer weniger. Eher erinnern sie an quietschfidelen College-Rock. Oder doch an die späten Talking Heads? Die neue Single „Diane Young“ spricht mit angedeutetem Rock ’n’ Roll-Gesang jedenfalls eine deutliche Sprache. Platz für Melancholie ist bei ihrem Party-Eklektizimus nicht (2.7., 20 Uhr, E-Werk).

Apropos Rock ’n’ Roll: Die Japaner Guitar Wolf sind eine Institution in Sachen Rock ’n’ Roll-Revival. Allerdings sollte man auch Spaß am Krach mitbringen, denn ihr trashiger Sound lässt die Ramones geradezu akademisch klingen. Die Konzerte münden zudem gerne in kleinen Zerstörungsorgien. Als Support spielen die Mad Mullahs aus Bonn (4.7., 21 Uhr, Tsunami). Noch mal zurück zu den Talking Heads: Nach „Remain in Light“ von 1980 gingen die Bandmitglieder getrennte Wege: David Byrne veröffentlichte ein experimentelles Album mit Brian Eno, Jerry Harrison machte ein tolles Soloalbum, und das Paar Chris Frantz und Tina Weymouth gründete den Tom Tom Club, der zwei verspielt-poppige Platten mit starkem Funk- und Rap-Einfluss veröffentlichte. Im Rahmen der Konzertreihe King Ludwig spielen sie eines ihrer seltenen Konzerte auf dem Dach des Museum Ludwig (8.7., 20 Uhr, Museum Ludwig). Krach hoch zwei darf man von Otto von Schirach erwarten. Der Breakcore-Derwisch aus Florida hat deutsche Vorfahren, heißt also vielleicht wirklich so. Gegen adelige Gefühlswallungen hilft ihm mitunter sein Alias Otto von Schitpiss (das Doppel-S pimpmäßig als Dollarzeichen geschrieben), aber die spastische Musik (Albumtitel: „Oozing Bass Spasms“) sollte auch schon ausreichen, um jegliche Gefühle von Gehorsam und Respekt zu vertreiben. Unterstützung erfährt er von dem schwulen Rapper Cakes da Killa aus New York (21.7., 19 Uhr, Baustelle Kalk).

Der Australier Dub FX hat sich in den letzten Jahren auf den Straßen Europas einen Namen als atemberaubender Beatboxer gemacht, der auch vor Drum'n'Bass nicht Halt macht. Wie er es in der kurzen Zeit von der Fußgängerzone in die großen Konzerthallen geschafft hat? Mit seinem Gesangsstil hat er inzwischen auf jeden Fall auch die Reggae-Gemeinde hinter sich gebracht (25.7., 20 Uhr, Live Music Hall). Der Brasilianer Lucas Santtana hatte in den 90ern bereits mit den Großen des Bossa Nova gespielt, als er 1999 mit seinem Debüt eine Solokarriere startete. Fünf Platten später ist sein Trennungsalbum „O deus que devasta mas também cura“ von 2012 so zart wie vertrackt und erinnert durchaus an die Bossa-Ausflüge eines Artho Lindsay, mit dem er auch schon zusammen gespielt hat (30.7., 21 Uhr, Luxor).

CHRISTIAN MEYER

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Möglichst zeitig hingehen
Elephant mit Nada Surf in Köln

Noise, Rap und Migration
Zwischen Bühne und Buchdeckel – Unterhaltungsmusik 11/24

Aggressive Dringlichkeit
Internationale Acts von Rock über Hip Hop bis Avantgarde – Unterhaltungsmusik 10/24

Heftiger Herbstauftakt
Nach Open Air wieder volles Programm in Clubs und Hallen – Unterhaltungsmusik 09/24

Sommerloch? Nicht ganz ...
Volle Packung Drum‘n‘Bass, Indie, Tuareg-Blues und Black Metal – Unterhaltungsmusik 08/24

Fette Beats im Wohngebiet
Green Juice Festival 2024 in Bonn – Musik 07/24

Helldunkler Sommer
Fröhlich und finster lockt die Festivalzeit – Unterhaltungsmusik 07/24

Und der Tag wird gut
Suzan Köcher‘s Suprafon beim Bonner Museumsmeilenfest – Musik 06/24

Folklore-Crossover
Wundersame Mischungen im Konzert – Unterhaltungsmusik 06/24

Gesang mit Starqualität
Aka Kelzz im Yuca auf der Kölner c/o Pop – Musik 05/24

An der Front: Sängerinnen
Post Punk neu arrangiert und interpretiert – Unterhaltungsmusik 05/24

Überbordende Energie
Dead Poet Society live im Luxor – Musik 04/24

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!